Landstreicherei (Vagabondage)
Unterhaltung der Land= und Heerstraßen in der
Provinz Posen, vom 21. Juni 1875 (GS. 324)
bei den Provinzial- und Kreiswegen (§ 14 Abs. 2
der Wegeordnung) bestehenden Verpflichtungen
der Gemeinden und der selbständigen Guts-
bezirke zur Leistung von Hand= und Spann-
diensten mit gewissen Maßgaben aufrecht. — Die
L. des AL R. bilden eine besondere Klasse der
öffentlichen Wege. Sie unterscheiden sich von
den Kommunikationswegen, abgesehen von ge-
wissen provinzialrechtlichen Normen über die
Breite usw., durch die Verkehrsbedeutung.
Im Unterschied von den Kunststraßen ist für
sie eine kunstmäßige Behandlung nicht wesent-
lich (O# G. 15, 280). Die Vorschriften des ALR.
über ihre Unterhaltung sind zwingender Natur.
Die Unterhaltung kann also mit öffentlich-
rechtlicher Wirkung nur durch Gesetz auf andere
übertragen werden (O#G. 32, 240). Dieser
Grundsatz findet indessen bei der Umwandlung
einer L. in eine Kunststraße im Rechtssinne,
da die L. hierdurch zu einem völlig anderen,
unter besonderen Rechtsnormen stehenden
Verkehrswege umgewandelt wird, und ebenso
dann keine Anwendung, wenn auf Grund
besonderer gesetzlicher Vorschriften, z. B. auf
Grund ALPR. II, 15 8 138 oder § 4 Eu#. vom
3. Nov. 1838 (GS. 505) oder § 14 des Ent-
eignungsgesetzes vom 11. Juni 1874 (GS. 221),
die anderweite Regelung der Unterhaltungspflicht
mittels besonderen Titels des öffentlichen Rechts
stattfindet (OV.G. 35 S. 250, 252). Die Unter-
haltungspflicht des Staates tritt aber wieder
ein, sofern etwa die L. die Eigenschaft als Kunst-
straße wieder verlieren oder der besondere Titel
in Wegfall kommen sollte. Nach AL#R. II, 15
§ 4 ist der Staat berechtigt, die Land= und Heer-
straßen, so wie er es zum gemeinen Besten
für dienlich findet, zu verändern, zu verlegen
oder einzuziehen (deklassieren; OV G. 35, 257;
39, 202). Die Verlegung erfolgt durch
die Landespolizeibehörde, und zwar entweder
durch ausdrückliche Erklärung oder stillschweigend
(Od#. 21, 258; 27, 193; 29, 216). Ersterenfalls
hört die alte L. auf, L. zu sein, ohne Rücksicht
darauf, in welchem Umfange der Verkehr auf
ihr fortbesteht (O G. 27, 207 ff.; 29, 213).
Soweit die alte L. oder einzelne Teile davon
für den Verkehr von Ort zu Ort unentbehrlich
sind, wird sie ohne weiteres zum Kommuni-
kationswege (OVG. 21, 258; 27, 199), ohne
daß es zur Anderung der rechtlichen Eigenschaft
und zur Begründung der Wegebaupflicht des
ordentlichen Wegebaupflichtigen des Verfahrens
nach § 57 3G. bedürfte (O G. 29, 210; 34, 246).
Die Erklärungen des Regierungspräsidenten,
betreffend die Veränderung oder Verlegung von
L., sind übrigens keine mit der Beschwerde
beim Oberpräsidenten und nachfolgender Klage
beim O##. anfechtbare polizeiliche Verfügungen
im Sinne des § 130 LV G., sondern nur der Be-
schwerde im Aufsichtswege unterliegende Ver-
waltungsakte (OVG. 39, 200). Die L. verliert
dadurch ihre Eigenschaft als solche dergestalt,
daß sie nur durch erneute Widmung für den
Landstraßenverkehr wieder zur L. werden kann.
Die irrtümliche Fortsetzung der Unterhaltung stellt
sich nicht als Widmung dar. Auch eine observanz-
mäßige Verpflichtung des Staates kann dadurch
51
nicht entstehen (OV G. 34, 250; vgl. auch 39, 207).
Über stillschweigende Verlegung und Umwand-
lung in gewöhnliche Kommunikationswege vgl.
O. 21, 263; 27, 193 ff.; 29, 213; 35, 257.
Über die Leistung der durch ALR. II, 15
§§ 13, 14 begründeten Hand= und Spann-
dienste „aller Einwohner“ der von der L.
durchschnittenen Distrikte, Kreise und Kirchspiele
(Städte, Gemeinden, Gutsbezirke) trifft die
Landespolizeibehörde die erforderlichen Bestim-
mungen. Die Verpflichtung beschränkt sich auf
diejenigen Dienste, welche von den Pflichtigen
selbst ohne Beeinträchtigung ihrer Leistungs-
fähigkeit und wirtschaftlichen Interessen geleistet
werden können (O . 17, 291; 24, 231; 26, 199;
32, 232; 35, 234). S. auch Hand-= und
Spanndienste zum Wegebau.
II. In Hannover werden nach §§ 13, 30
des hann. Wegegesetzes vom 28. Juli 1851
(Hann GS. I. Abt. S. 141 ff.) in der Fassung
des G. vom 24. Mai 1894 (GS. 82) als L.
bezeichnet die von den Kreisen zu unterhalten-
den öffentlichen Wege, welche schon bisher für
L. erklärt sind oder in Zukunft in vorgeschrie-
bener Weise für solche erklärt werden.
In Schleswig-Holstein unterscheidet
man Hauptlandstraßen, d. h. die-
jenigen, welche die Herzogtümer miteinander,
mit den übrigen Teilen des Reichs und mit dem
Auslande und die bedeutenderen Häfen-, Han-
dels= und Waffenplätze des Inlandes mitein-
ander verbinden, und Nebenlandstraßen,
d. h. diejenigen, welche die Städte des Inlandes
mit anderen, für den Verkehr der einzelnen
Distrikte wichtigen Orten, Häfen und Fährstellen,
und die Poststationen miteinander verbinden
(Wegeverordnung vom 1. März 1842 — Samnl.
der V. S. 191 — §8 3, 4).
Im Reg.-Bez. Kassel werden unter L.
die Staats= und Provinzialstraßen im Gegensatz
zu den Landwegen (Vizinalwegen, Verbindungs-
wegen, Distriktsstraßen) verstanden, im Kreise
Herzogtum Lauen burg nach § 3 der
Wegeordnung für Lauenburg vom 7. Febr. 1876
(Offiz. Wochenbl. 27) die in der Anlage A des
Gesetzes aufgeführten Straßen. In den
hohenzollernschen Landen schließ-
lich sind L. die vom Kommunallandtage für un-
mittelbare oder mittelbare L. erklärten wich-
tigeren Verkehrswege (G. vom b. Jan. 1878
— GS. 5 — § 2). S. das Nähere Germers-
hausen, Wegerecht Bd. 1, 3. Aufl., S. 728 ff.
und ferner Ablösung von Wegebau-
verpflichtungen, Hand- und
Spanndienste zum Wegebau,
Kunststraßen unter II, Landes-
polizei, Wege löffentliche) unter III
und IV, Wegepolizei und Wegepoli-
zeibehörden.
Landstreicherei (Vagabondage). Wer als
Landstreicher, d. h. mit wechselndem Aufenthalt
von Ort zu Ort ohne Mittel, Zweck und Erwerb,
umherzieht (vgl. das Zirk. vom 7. Aug. 1875
— M l. 231; R#St. 30, 438), wird mit Haft
bestraft (St GBB. § 361 Ziff. 3), während deren
Vollstreckung er zu seinen Fähigkeiten und Ver-
hältnissen angemessenen Arbeiten innerhalb und,
sofern er von anderen freien Arbeitern getrennt
gehalten wird, auch außerhalb der Strafanstalt
4t