Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Sonntagsruhe im Handelsgewerbe 
(#s. Sonntagsruhe im Handelsge- 
werbe; Gewerbebetrieb im Umher- 
ziehen II) freigegebenen Stunden gestattet 
werden —; Mineralwasserfabriken — es kann 
in der wärmeren Jahreszeit für 3 Stunden 
vor dem Beginne des Hauptgottesdienstes die 
Beschäftigung von Arbeitern mit solchen Arbeiten 
gestattet werden, welche zur Versorgung der 
Kundschaft erforderlich sind — und für das Be- 
kleidungs= und Reinigungsgewerbe mit hand- 
werksmäßigem Betrieb — es kann die Ab- 
lieferung bestellter Arbeiten an die Kunden bis 
um Beginne der für den Hauptgottesdienst 
estgesetzten Unterbrechung der Verkaufszeit im 
Handelsgewerbe gestattet werden —. Für Be- 
triebe mit Tag= und Nachtarbeit kann die Ge- 
nehmigung der Sonntagsarbeit von der Be- 
dingung abhängig gemacht werden, daß längere 
als 18 stündige Wechselschichten unzulässig sind, 
sofern es sich um anstrengende Arbeiten handelt 
und die Beseitigung der 24 stündigen Wechsel- 
schichten durch Einführung 8 stündiger Schichten 
oder Einstellung von Ersatzmannschaften ohne 
erhebliche Unzuträglichkeiten möglich erscheint. 
Auch kann für Betriebe mit Tag= und Nacht- 
arbeit (z. B. Gasanstalten) die Zulassung einer 
beschränkten Arbeit an Sonn= und Festtagen 
davon abhängig gemacht werden, daß während 
bestimmter Stunden an diesen Tagen der Be- 
trieb ruht. In denjenigen Fällen, in welchen 
nur solche Arbeiten gestattet werden dürfen, 
die für den Betrieb unerläßlich sind, ist es zu- 
lässig, daß diese Arbeiten im einzelnen bezeich- 
net werden. Unter besonderen Verhältnissen, 
z. B. bei Truppenzusammenziehungen, größeren 
Volksfesten, Märkten und Wallsahue oder 
während der Fastnachtszeit, kann der Regie- 
rungspräsident (im LPB. Berlin der Polizei- 
präsident) zur Befriedigung der hierdurch ge- 
steigerten Bedürfnisse der Bevölkerung für 
einzelne Ortschaften oder Bezirke vorüber- 
gehend oder periodisch für kurze Zeit weiter- 
reichende Ausnahmen von dem Verbote der 
Sonntagsarbeit zulassen. Von jeder Aus- 
nahmeregelung dieser Art ist dem Minister für 
Handel und Gewerbe umgehend Anzeige zu 
machen (AusfAnw. z. GewO. Ziff. 158—179, in 
der Fassung des Erl. vom 28. Dez. 1908 — 
HMBl. 1909, 9). 
VI. Ausnahmen für Betriebemit 
Wind oder unregelmäßiger Wafs- 
serkraft (s. Triebwerke). 
VII. Ausnahmen zur Berhütung 
eines un verhältnismäßigen Scha- 
dens (Gew O. § 105f). Wenn zur Ver- 
hütung eines unverhältnismäßigen Schadens 
ein nicht vorherzusehendes Bedürfnis der Be- 
schäftigung von Arbeitern an Sonn= und Fest- 
tagen eintritt, so können durch die untere Ver- 
waltungsbehörde Ausnahmen von dem Verbote 
der Sonntagsarbeit für bestimmte Zeit zugelassen 
werden. Für die Entscheidung der unteren 
Verwaltungsbehörde muß neben der Rücksicht 
auf die Arbeiter allein das Betriebsinteresse 
der in Frage kommenden Anlage maßgebend 
sein (Erl. vom 22. Juli 1901 — HM l. 165). 
Die Verfügung der unteren Verwaltungs- 
behörde ist schriftlich zu erlassen und muß von 
dem Unternehmer auf Erfordern dem für die 
  
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Berwaltung. 2. Aufl. II. 
  
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Revision zuständigen Beamten an der Betriebs- 
stelle zur Einsicht vorgelegt werden. Eine Ab- 
schrift der Verfügung ist innerhalb der Betriebs- 
stätte an einer den Arbeitern leicht zugänglichen 
Stelle auszuhängen. Die untere Verwaltungs- 
behörde hat über die von ihr gestatteten Aus- 
nahmen ein Verzeichnis nach vorgeschriebenem 
Muster zu führen. Solche Ausnahmen sind der 
Regel nach nicht für den ersten Weihnachts-, 
Oster- und Pfingstfeiertag, im übrigen für jeden 
einzelnen Betrieb für mehr als vier aufeinander- 
folgende Sonn= und Festtage nur mit Genehmi- 
gung des Regierungspräsidenten, des Oberberg- 
amtes (im LPB. Berlin des Polizeipräsidenten) 
zuzulassen (AusfAnw. z. GewO. Ziff. 179, 180). 
VIII. Strafbestimmungen in Gew O. 
#s 146a. Auch derjenige Arbeitgeber macht 
sich strafbar, welcher die unzulässige Tätigkeit 
des Arbeiters an Sonn= und Festtagen duldet, 
zuläßt oder ihm freistellt (K GJ. 20 C 45). Not- 
wendige Voraussetzung der Strafbarkeit des Ge- 
  
  
werbetreibenden ist, daß dieser dem Arbeiter 
eine Arbeit überträgt, oder daß der Arbeiter 
mit Wissen und Willen des Arbeitgebers eine 
Beschäftigung annimmt (KGJ. 18, 320). Auch 
Fahrlässigkeit genügt zur Erfüllung des Tat- 
bestandes (R# St. 14, 89; 27, 319). 
Sonntagsruhe im Handelsgewerbe. Die 
Sonntagsruhe äußert sich in zweifacher Rich- 
tung, in dem Verbote der Beschäftigung von 
Gehilfen, Lehrlingen und Arbeitern und im 
Ladenschlusse. Sie umfaßt nicht nur die Tages- 
zeit, sondern auch die Nachtzeit (K G J. 17, 428). 
Für den Gewerbebetrieb im Umherziehen (s. d.) 
und den ambulanten Gewerbebetrieb (s. d.) 
gelten die Vorschriften über die Sonntagsruhe 
auch, nicht aber für den Marktverkehr (s. d.). 
Der Verkauf von Arzneimitteln wird, da die 
GewO. nach § 6 auf diesen keine Anwendung 
findet, durch die Sonntagsruhe nicht berührt 
(Erl. vom 10. Juni 1892 — MBl. 198 — Ziff. 2). 
Im Handelsgewerbe (s. d.) dürfen Gehilfen — 
dazu gehören auch Hausknechte, Fuhrleute usw. 
(KGM. 19, 318) —, Lehrlinge und Arbeiter am 
ersten Weihnachts-, Oster- und Pfingstfeiertage 
überhaupt nicht, im übrigen an Sonn= und Fest- 
tagen (s. Festl Feierlstage) nicht länger 
als fünf Stunden beschäftigt werden. Durch 
statutarische Bestimmung einer Gemeinde oder 
eines weiteren Kommunalverbandes (s. d.) 
kann diese Beschäftigung für alle oder einzelne 
Zweige des Handelsgewerbes auf kürzere Zeit 
etgeschränkt oder ganz untersagt werden. Für 
die letzten vier Wochen vor Weihnachten, sowie 
für einzelne Sonn= und Festtage, an denen 
örtliche Verhältnisse einen erweiterten Geschäfts- 
verkehr erforderlich machen, können die Regie- 
rungspräsidenten, Oberpräsidenten oder mit 
ihrer Ermächtigung die unteren Verwaltungs- 
behörden (s. d.), im LPP. Berlin der Polizei- 
präsident oder der Oberpräsident, eine Vermeh- 
rung der Stunden, während deren die Beschäfti- 
ung stattfinden darf, bis auf zehn Stunden zu- 
kaslch. Die Beschäftigungsstunden sind stets 
unter Freilassung der für den Hauptgottesdienst 
bestimmten Zeit festzusetzen. Bei Festsetzung der 
fünfstündigen Beschäftigungszeit ist als Anfangs- 
punkt in der Regel 7 Uhr vormittags und als 
Endpunkt 2 Uhr nachmittags zu wählen. Für 
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