Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Stadtverordnetenversammlung 
Handlungen ihrer gesetzlichen Organe in Er- behärdliche 
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Verrichtungen vornimmt. Die 
scheinung tritt. Diese Organe sind die Stadt- §§ 17, 33, 128 3G. bezeichnen sie geradezu als 
vertretung und der Stadtvorstand. 
Erstere Behörde. 
Nach O#. 41, 34 steht ihr als 
führt in der Prov. Hannover die Bezeichnung Trägerin öffentlichrechtlicher Funktionen das auf 
Bürgervorsteherkollegium, in Hohenzollern heißt 
§ 32 Vu. beruhende Petitionsrecht zu, auch 
sie Gemeindevertretung oder Bürgerausschuß,!genießt sie strafrechtlichen Schutz gegenüber 
in den übrigen Teilen der Monarchie S. 
Ihr Ehrenkränkungen. Nach R#t. 33, 66 findet § 197 
Ursprung geht auf den großen Rat zurück,St GB., der die Einleitung eines Strafverfahrens 
der im Mittelalter dem Rate gegenüber die wegen Beleidigung einer politischen Körperschaft 
Rechte der gesamten Bürgerschaft wahrnahm und 
nicht von der Antragstellung des Beleidigten ab- 
in dem die von der Teilnahme an dem patri= hängig macht, sondern nur ihre Ermächtigung zu 
zischen Stadtregimente verfassungsmäßig oder 
herkömmlich ausgeschlossenen Zünfte ebenfalls' Anwendung. 
ihren Platz fanden (s. Städtoay). In fast allen! 
deutschen Städten folgt auf eine mehr oder 
weniger lange Zeitperiode des Kampfes zwischen 
dem Stadtadel und den Zünften um die Teil- 
nahme an der Stadtregierung ein Abschluß in 
der Weise, daß dem großen Rat anstatt seiner 
ursprünglichen rein repräsentativen Stellung 
eine stärkere Einwirkung auf die Leitung der 
Stadtangelegenheiten zugestanden wird. a) In 
den brandenburg-preußischen Städten gewinnt 
bei diesen Kämpfen der Landesherr gleichzeitig 
an Macht, er regelt ihre Verfassungen neu 
und wahrt hierbei sich und seinen Räten ein 
Aufsichtsrecht, welches in dem Maße an Inhalt 
und Umfang gewinnt, in dem die Stadtgemein- 
den unter dem Drucke der jahrzehntelangen Kriege 
und dem Daniederliegen von Handel und Ge- 
werbe Wohlstand und Selbständigkeit einbüßen. 
Nach dem Dreißigjährigen Kriege nimmt der 
Stadtrat immer mehr den Charakter einer staat- 
lichen Ortsverwaltungsbehörde an, die Mitwir- 
kung der Bürgerrepräsentanten beschränkt sich 
auf die Vertretung privatrechtlicher Interessen 
der Zünfte und der gemeinen Bürgerschaft. 
Sie werden von dem Rat ernannt, oder doch 
bestätigt, bedürfen in wichtigen Angelegenheiten 
einer besonderen Vollmacht ihrer Auftraggeber 
und haben kein allgemeines Aufsichtsrecht über 
die Stadtverwaltung. Infolge der Stein- 
Hardenbergschen Reformgesetzgebung erfuhr dieser 
Zustand für den damaligen Umfang der preuß. 
Monarchie eine grundsätzliche Anderung durch die 
88 108—110 der StO. vom 19. Nov. 1808 (GS. 
324), deren Grundlage die Selbstverwaltung der 
städtischen Gemeindeangelegenheiten durch zwei 
von den Bürgern gewählte Körperschaften, die S. 
als Vertretung des Gemeindewillens, den Magi- 
strat als verwaltende und ausführende Behörde 
bildet. Die Rev. StO. vom 17. März 1831 
(GS. 10) behielt diese Gliederung bei, die VU. 
vom 31. Jan. 1850 (GS. 17) stellte es in Art. 105 
Ziff. 1 als leitenden Grundsatz für die Ge- 
staltung des Gemeindelebens hin, daß über die 
inneren und besonderen Angelegenheiten der 
Gemeinden aus gewählten Vertretern bestehende 
Versammlungen beschließen sollten, deren Be- 
schlüsse durch die Vorsteher der Gemeinden zur 
Ausführung zu bringen seien. Im Sinne dieser 
Vorschrift weist der § 35 der St O. f. d. ö. Pr. vom 
30. Mai 1853 (GS. 261) der S. die Beschluß- 
fassung über alle Gemeindeangelegenheiten zu, 
soweit dieselben nicht ausschließlich dem Magi- 
strat überwiesen sind, während ihr § 37 
die Kontrolle der gesamten Stadtverwaltung 
überträgt. Die S. ist keine juristische Person, 
aber eine politische Körperschaft, welche vielfach 
  
der Strafverfolgung fordert, auch auf die S. 
Die Wahlen zur S. gelten als 
politische Angelegenheiten im Sinne des § 8 
des Vereinsgesetzes vom 11. März 1850 (Pr- 
VBl. 28, 869). Die Mitglieder der S. sind als 
solche weder unmittelbare noch mittelbare Be- 
amte (Rst. 12, 91; 32, 66; OV. 25, 417; 
39, 444; Pr VBl. 22, 411; 23, 611; 25, 302; 
28, 869). 
b) Die Gestaltung der Stadtverfassungen in 
Westfalen, Hessen = Nassau, Frank- 
furt a. M. und Hohenzollern entspricht 
im wesentlichen derjenigen in den östlichen Pro- 
vinzen. In den Städten der Rheinprovinz 
ohne kollegialischen Gemeindevorstand steht der 
Bürgermeister, in dessen Person sich die ge- 
samte Verwaltung vereinigt, gleichzeitig als 
Vorsitzender an der Spitze der S. Seine nicht 
durch das Vorhandensein eines Magistrats- 
kollegiums beschränkte Machtstellung erhält durch 
diese organische und unmittelbare Verbindung 
mit der kontrollierenden Gemeindevertretung 
ein sachgemäßes Gegengewicht. In den übrigen 
Provinzen ist eine derartige Gliederung nur für 
kleinere Stadtgemeinden mit einfachen Verhält- 
nissen zugelassen. 
c) In Schleswig-Holstein und in 
Hannover beruht die städtische Gemeinde- 
verfassung auf wesentlich anderen Grundlagen. 
Hier bildet die gemeinschaftliche Beratung und 
Beschlußfassung der beiden städtischen Kollegien 
die Regel, der Magistrat ist in allen städtischen 
Angelegenheiten die einzige ausführende und 
verwaltende Behörde und nur insoweit an die 
Zustimmung der Stadtverordneten (Bürgervor- 
steher) gebunden, als Gesetz und Ortsstatut dies 
ausdrücklich vorschreiben. 
II. Zusammensetzung. a) Die Mit- 
gliederzahl der S. kann in dem Bereiche der St O. 
f. d. ö. Pr. vom 30. Mai 1853 ebenso wie in den 
übrigen Teilen der Monarchie durch Ortsstatut 
festgesetzt werden, wobei alle örtlichen Verhält- 
nisse, insbesondere die Einwohnerzahl und der 
Umfang der Verwaltung, zu berücksichtigen sind. 
Bei dem Inkrafttreten der StO. vorhandene 
Festsetzungen dieser Art sind bestehen geblieben. 
Fehlt eine ortsstatutarische Festsetzung, so tritt 
die Vorschrift des § 12 in Wirksamkeit, nach 
der die Mindestzahl der Mitglieder 12 beträgt 
und eine Steigerung derselben nach Stufen 
der Seelenzahl vorgesehen ist. Für die Fest- 
stellung der Einwohnerzahl ist das Ergebnis der 
letzten Volkszählung maßgebend (36. § 162; 
OG. 26, 109). In Betracht kommt nur die 
ortsanwesende Zivilbevölkerung. Macht die Zu- 
oder Abnahme der Seelenzahl eine Vermehrung 
oder Verminderung der Zahl der Stadtverord- 
neten notwendig, um diese mit den ortsstatuta-
	        
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