Landwirtschaftskammern 59
heit der Landwirte angehörte, den Charakter und vom 12. Mai 1909 wegen Ausführung des
einer gesetzlichen Vertretung der Landwirtschaft G. vom 8. Febr. 1909, betr. Preisfeststellung
nicht in Anspruch nehmen, auch fehlte den Ver= beim Markthandel mit Schlachtvieh, sowie vom
einen die Möglichkeit, für ihre der gesamten 14. Dez. 1896, betr. die Entsendung von Ver-
Landwirtschaft zugute kommenden Bestrebungen tretern der Landwirtschaft in den Vorstand der
die außerhalb der Vereine stehenden Berufs- Produktenbörsen, und vom 17. Juli 1897, betr.
genossen zu Beiträgen heranzuziehen. Schon die Mitwirkung der L. bei der Verwaltung und
in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts den Preisnotierungen der Produktenmärkte (s.
wurde deshalb von einzelnen landwirtschaft= auch Börsen IV. 1 und Märkte und
lichen Zentralvereinen die Schaffung einer ge= Messen). Durch kgl. V. vom 3. Aug. 1895
setzlichen, mit beschränktem Besteuerungsrechte (GS. 363) sind L. für die Prov. Ostpreußen,
ausgestatteten Interessenvertretung angeregt. Westpreußen, Pommern, Brandenburg, Posen,
Diese Strömung gewann allmählich an Stärke, Schlesien, Sachsen, Schleswig-Holstein und für
wobei namentlich der Hinblick auf die dem Han= die Reg.-Bez. Kassel und Wiesbaden, vom
delsstande in der Handelskammer gewährte 28. April 1898 (GS. 69) für die Prov. West-
Berufsvertretung von Bedeutung war. Ob= falen und vom 15. März 1899 (G. 35) für die
wohl innerhalb der Zentralvereine die An= Prov. Hannover und die Rheinprovinz auf
sichten noch geteilt waren, sprachen sich doch in Grund der den Verordnungen beigegebenen
den Jahren 1892/93 sowohl das Landesöko= Satzungen errichtet worden, so daß nunmehr
nomiekollegium, wie das AbgH. zugunsten der alle Provinzen des Staates L. besitzen. Die
alsbaldigen Einführung einer solchen Berufs= Satzungen enthalten diejenigen Bestimmungen,
vertretung aus (Begründung des Gesetzentwurfs die bei der Verschiedenheit der landwirtschaft-
über die L., Nr. 9 der Drucks. des AbgH., I. Sess. lichen Verhältnisse in den einzelnen Provinzen
1894). Dies führte im Jahre 1894 zur Vorlage im Gesetz nicht festgelegt werden konnten,
eines Gesetzentwurfes, der unter mannigfachen namentlich Bestimmungen über den Sitz der
Anderungen die Zustimmung der Landesver-L., die Ausübung der Wahlen, die Beitrags-
tretung gefunden hat. pflicht zur L., die Wahl, Zusammensetzung und
II. Nach dem G. über L. vom 30. Juni 1894 Befugnisse des Vorstandes und des Vorsitzen-
(G S. 126) können zum Zwecke der korporativen den, die Form für die Legitimation des Vor-
Organisation des landwirtschaftlichen Berufs= standes und seiner Mitglieder, die Zusammen-
standes durch kgl. Verordnung nach Anhörung berufung der L. und die Gegenstände, welche
des Provinziallandtages Landwirtschafts= der Beschlußfassung der L. vorbehalten bleiben
kammern errichtet werden; sie sollen (§ 4 des G.). Anderungen der Satzungen, so-
in der Regel das Gebiet einer Provinz, aus= weit sie nicht Sitz, Zweck oder Vertretung der L.
nahmsweise auch Teile derselben, umfassen. oder das Wahlverfahren betreffen, kann nach § 2
Die L. sollen die Gesamtinteressen der Land= der V. der Ressortminister selbständig genehmigen.
und Forstwirtschaft ihres Bezirkes wahrnehmen III. Die Mitglieder der L. werden ge-
und alle auf die Hebung der Lage des länd= wählt. Voraussetzung des passiven Wahl-
lichen Grundbesitzes abzielenden Einrichtungen, rechts ist die Angehörigkeit zu einem deutschen
namentlich die weitere korporative Organisation Bundesstaate und ein Alter von mindestens
des Berufsstandes der Landwirte fördern. Sie 30 Jahren. Unter diesen Voraussetzungen sind
haben hiernach nicht nur die Aufgaben zu ver= wählbar die Eigentümer, Nutznießer oder Päch-
folgen, welche unter den Begriff der Interessen-#her land= oder forstwirtschaftlich genutzter Grund-
vertretung fallen, sondern auch alle Maßnahmen stücke, deren Grundbesitz oder Pachtung im Be-
und Einrichtungen zu treffen, welche die Land= zirk der L. wenigstens den Umfang einer selb-
wirtschaft dadurch zu fördern geeignet sind, ständigen Ackernahrung hat, was in den Satzungen
daß die geeinigte Kraft der Berufsgenossen an der einzelnen L. auf Grund der Grundsteuer-
die Stelle der Bemühungen der einzelnen Land= reinerträge verschieden normiert ist (s. u.), oder
wirte tritt. Die L. sollen ferner die Verwaltungs= für den Fall rein forstwirtschaftlicher Benutzung
behörden bei allen die Land= und Forstwirt= zu einem jährlichen Grundsteuerreinertrage von
schaft betreffenden Fragen durch tatsächliche mindestens 150 K veranlagt ist, sowie deren
Mitteilungen und Erstattung von Gutachten gesetzliche Vertreter und Bevollmächtigte. Wähl-
unterstützen. Sie haben bei allen Maßnahmen bar zu Mitgliedern der L. sind außerdem die
mit3zuwirken, welche die Organisation des länd= im Landwirtschaftskammerbezirk wohnenden
lichen Kredits und sonstige gemeinsame Auf- Personen, welche als frühere Landwirte oder
gaben betreffen; sie haben außerdem den tech- Pächter wählbar waren, sowie Personen, welche
nischen Fortschritt der Landwirtschaft durch mindestens zehn Jahre als Vorstandsmitglieder
zweckentsprechende Einrichtungen zu fördern. oder Beamte von landwirtschaftlichen und zweck-
Auch ist ihnen nach Maßgabe der für die Börsen verwandten Vereinen, landwirtschaftlichen Ge-
und Märkte maßgebenden Bestimmungen eine nossenschaften und Kreditinstituten tätig sind,
Mitwirkung bei der Verwaltung und den Preis= und endlich Personen, welchen wegen ihrer Ver-
notierungen der Produktenbörse, sowie der dienste für die Landwirtschaft von der L. die
Märkte, insbesondere der Viehmärkte, über-Wählbarkeit beigelegt worden ist (88 5, 6 des G.).
tragen (§ 2 des G. vom 30. Juni 1894 und die Wahlbezirke sind in der Regel die Landkreise;
nichtveröffentlichten Erl. vom 30. Juni 1898 in jedem Wahlbezirke werden in der Regel zwei
und 9. Juli 1900, betr. die Bildung von No= Mitglieder gewählt. Doch können mehrere
tierungskommissionen an Schlachtviehmärkten, Kreise zu einem Wahlbezirke vereinigt werden.
die Regelung des Notierungswesens an den- Ebenso können Stadtkreise behufs der Wahl
selben und den Erlaß von Marktordnungen, mit benachbarten Landkreisen zu einem Wahl-