Strafen
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auf Zuchthaus nur dann erkannt werden darf, streckung in Gemeinschafts= oder in Einzelhaft
wenn festgestellt wird, daß die strafbar befundene stattfinden soll. Man unterscheidet dabei be-
Handlung aus einer ehrlosen Gesinnung ent= sonders das alte Zuchthaussystem (keine
sprungen ist, und die im § 31 StEB., wonach Trennung bei Tag und bei Nacht, nur mit
die Verurteilung zur Zuchthausstrafe die dauernde einer in änußerlicher Weise durchgeführten
Unfähigkeit zum Dienste in dem deutschen Heere Scheidung der mehr und der weniger
und der kais. Marine, zur Bekleidung öffentlicher Verderbten), das ältere pennsylva-
Amter (vgl. L# O. S 43 Abs. 4 wegen der Amter
in der Gemeindeverwaltung und Gemeinde-
vertretung), zur Rechtsanwaltschaft, zum Nota-
dienste von Rechts wegen zur Folge hat, sowie
nische System (vollständige unausgesetzte
Isolierung, grundsätzlich ohne Arbeit), das
2 Schweig= oder Auburnsche System
riat und zum Geschworenen= und Schöffen-
(Trennung bei Nacht, bei Tage Arbeiten in ge-
meinsamen Arbeitssälen unter dem Gebote des
durch die Art ihres Vollzugs als entehrende S. absoluten Schweigens), das in Deutschland mehr
gekennzeichnet. Sie ist allgemein mit Arbeits= und mehr in den Vordergrund getretene ver-
zwang in der Weise verbunden, daß die zu besserte pennsylvanische oder pan-
ihr Verurteilten in der Strafanstalt zu den optische System (Trennung der Sträflinge
eingeführten Arbeiten anzuhalten sind, auch voneinander nach Möglichkeit, aber Anhalten zu
außerhalb der Anstalt, insbesondere zu öffent= nutzbringender Arbeit und Nichtausschließung
lichen oder von einer Staatsbehörde beauf= des Verkehrs mit Personen, von denen sich ein
sichtigten Arbeiten verwendet werden können. bessernder Einfluß erwarten läßt, wie Anstalts-
Die letztere Art der Beschäftigung ist aber nur beamten, Geistlichen, auswärtigen Besuchern
dann zulässig, wenn die Gefangenen dabei usw.) und dasirischeoder Progressiv--
von anderen freien Arbeitern getrennt gehalten system (Zuführung des Sträflings durch all-
werden (St GB. §8§ 15). Die Gefängnis- mähliche Übergänge — Einzelhaft, Gemein-
strafe — abgesehen von den §§ 16, 17 Mt- schaftshaft, Zwischenanstalt, bedingte Freilassung
GB. stets bloß von zeitlicher Dauer, Höchstbetrag [Beurlaubung] — zur Freiheit).
5 Jahre, Mindestbetrag 1 Tag — kann mit
Arbeitszwang verbunden werden, d. h. die zu
ihr Verurteilten können in der Gefangenen-
anstalt auf eine ihren Fähigkeiten und Verhält-
nissen angemessene Weise beschäftigt werden; auf
ihr eigenes Verlangen sind sie in dieser Weise
zu beschäftigen. Ein weiterer Unterschied gegen-
über der Zuchthausstrafe besteht darin, daß
eine Beschäftigung außerhalb der Anstalt nur
mit Zustimmung der Gefangenen zulässig ist
(St GB. § 16). Die Haft, deren Höchstbetrag
6 Wochen und deren Mindestbetrag 1 Tag ist,
ist an sich eine einfache Freiheitsentziehung
ohne Arbeitszwang (SteE. 8§ 18), bei einzel-
nen Delikten (Landstreichen, Betteln, gewerbs-
mäßige Unzucht usw.) können jedoch die zu
ihr Verurteilten zu Arbeiten, welche ihren
Fähigkeiten und Verhältnissen angemessen sind,
innerhalb und, sofern sie von anderen freien
Arbeitern getrennt gehalten werden, auch außer-
hur der Strafanstalt angehalten werden (8§ 362
bs. 1).
Das StG#B. § 22 gestattet den Vollzug der
Zuchthaus= und Gefängnisstrafe in Einzelhaft so,
daß der Gefangene unausgesetzt von anderen
Gefangenen gesondert gehalten wird und die
Einzelhaft ohne Zustimmung des Gefangenen
die Dauer von 3 Jahren nicht übersteigen darf,
und bestimmt im & 57 Abl. 2, daß die gegen
jugendliche Verbrecher erkannten Freiheits-
strafen in besonderen, zur Verbüßung von S.
tugendlicher Personen bestimmten Anstalten
oder Räumen zu vollziehen sind. Im übrigen
istider Vollzug der Freiheitsstrafen bisher reichs-
gesetzlich nicht näher geregelt; jedoch sind von
den Bundesregierungen unter dem 28. Okt. 1897
wenigstens gewisse Grundsätze einer gleich-
mäßigen Behandlung vereinbart worden (Zl.
308), welche Unterbringung, Aufnahme, Be-
schäftigung, Beköstigung, Kleidung, Krankheits-
c) Der Mindestbetrag der Geldstrafe,
die als alleinige S. und als alternative und
kumulative S. vorkommt, ist bei Verbrechen
und Vergehen 3 A, bei Ubertretungen 1 4
(St GB. § 27; iedoch II vor a). Eine nicht
beizutreibende Geldstrafe, d. i. eine solche, wegen
deren die Zwangsvollstreckung fruchtlos ausge-
fallen ist, ist in eine Freiheitsstrafe umzu-
wandeln (s. den Art. Umwandlung von
Strafen).
d) Die Ehrenstrafen sind der Verweis,
ein Überrest der früheren beschämenden Ehren-
strafen, auf den gegen jugendliche Angeschuldigte
in besonders leichten Fällen erkannt werden
kann (8§ 57 Ziff. 4), der Verlust der bürgerlichen
Ehrenrechte und die Entziehung des Rechtes,
öfjentliche Amter zu bekleiden (s. Bürger-
liche Ehrenrechte). .
o)VongemischterArtsinddieZulässig-
keit der Stellung unter Polizei-
aufsicht nach Verbüßung der erkannten
Freiheitsstrafe (§§ 38, 39; s. Polizeiauf-
sicht), die Uberweisungan die Landes-
polizeibehörde nach verbüßter Haftstrafe,
wodurch diese die Befugnis der Unterbringung
in einem Arbeitshause bis zu 2 Jahren erhält,
sog. korrektionelle Nachhaft (s. d.), die Aus-
weisung von Ausländern aus dem
Reiche (St GB. §§ 39 Ziff. 2, 284, 362; BR-
Vorschr., betr. die Ausweisung von Ausländern
aus dem Reichsgebiete, vom 10. Dez. 1890 —
ZBl. 378; s. Ausweisungen), die Ein-
ziehung der Werkzeuge und Produkte eines
Delikts und die Unbrauchbarmachung von Schrif-
ten usw. strafbaren Inhalts (St GB. §8 40—42).
Die Stellung unter Polizeiaufsicht hat außer
den allgemeinen mehrfach noch besondere Folgen,
z. B. Jagdordnung vom 15. Juli 1907 (GS. 207)
5s 34 Ziff. 2, GewO. 88 42 b, 44 a, 57 Ziff.2,
59a. Im Militärstrafrecht findet sich noch der
fälle, geistige Nahrung und Disziplinarstrafen Arrest als die eigentliche militärische Frei-
nebst Beschwerderecht behandeln. Die schwierigste heitsstrafe verwendet mit den Zeitgrenzen von
Frage ist hierbei die, ob und inwieweit die Voll= 1 Tage bis zu 6 Wochen und nach der Art des
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung. 2. Aufl. II. 42