660 Strafregister — Strafverfügungen, polizeiliche
Entwurf einer Strafprozeßordnung und Novelle 1883 (MBl. 152) mit Abänderung vom 17. Juli
zum Gerichtsversassungsgesetze nebst Begründung 1907 (Ml. 354) ergangen sind. Die Befugnis
veröffentlicht worden. zum Erlaß polizeilicher Strafverfügungen steht
II. Die St PO. ist in 7 Bücher geteilt. Außer 6 hiernach dem Polizeiverwalter (s. Polizei-
ihr enthält noch eine Reihe von älteren und behörden) zu wegen aller nach Reichs= und
neueren Reichsgesetzen strafprozessuale Be= Landesrecht oder auf Grund von polizeilichen
stimmungen, so das Strafgesetzbuch, das Ge- Verordnungen strafbaren Ubertretungen (St-
richtskostengesetz, die Rechtsanwaltsordnung, die GB. § 1), welche in seinem Amtsbezirk verübt
Gebührenordnungen für Gerichtsvollzieher, für sind und in seinen Verwaltungsbereich, d. h.
Zeugen und Sachverständige und für Rechts= sachlich in den Kreis der ihm übertragenen
anwälte, die Militärstrafgerichtsordnung vom Polizeizweige fallen. Den Behörden mit eigener
1. Dez. 1898, das Gesetz über die Konsulargerichts= Polizeigewalt gebührt die Straffestsetzung wegen
barkeit, das Schutzgebictsgesetz usw.; mehrfach der auf ihren Sondergebieten (Bahn-, Fischerei-,
finden sich solche auch in Gesetzen, die an sich Deich-, Strom-, Schiffahrtspolizei usw.) be-
wesentlich andere Materien zum Gegenstande gangenen Ubertretungen. Der Erlaß einer polizei-
haben, wie in der Reichsverfassung Art. 31, im lichen Strafverfügung ist ausgeschlossen bei
G. über die Presse vom 7. Mai 1874 (RuBl.. 65) # lbertretungen der Vorschriften über die Er-
§§ 23—29 — vgl. GBVG. § 112 — und in der hebung öffentlicher Abgaben und bergpolizei-
Seemannsordnung vom 2. Juni 1902 (Rel. licher Vorschriften (G. vom 23. März 1883 F 2;
175) § 122. Verschiedene Deutsche Bundesstaaten Anw. vom 8. Juni 1883 § 1), bei Zuwider-
haben zur St PO. Ausführungsgesetze erlassen, handlungen gegen das Forstdiebstahlsgesetz
Preußen jedoch nicht. vom 15. April 1878 (GS. 221), gegen § 33 des
III. Der St PO. liegen die Offizialmaxime MilG. vom 2. Mai 1874 (Erl. vom 29. März
mit einigen Einschränkungen (Antrags-- und Er= 1900 — Mhl. 635 — amtsrichterlicher Straf-
mächtigungsdelikte, Privatklage), das sog. Klage= befehl) und bei ÜUbertretungen des § 68 des
formprinzip ebenfalls mit einigen Einschrän= PStu. vom 6. Febr. 1875 (Erl. vom 22. Aug.
kungen (z. B. begrenzte Zulässigkeit einer Zurück= 19063 — Mhl. 187). Gegen Militärpersonen
nahme der Klage und Verurteilung trotz Antrags (s. d.) dürfen polizeilich nur Geldstrafen (die für
des Staatsanwalts auf Freisprechung) und die den Fall des Unvermögens an deren Stelle
Prinzipien der Unmittelbarkeit, der Mündlichkeit tretende Haft wird durch die Militärgerichte
und der Konzentration sowie das der Offentlich festgesetzt und vollstreckt) und auch nur wegen
keit zugrunde. S. auch Prozeß und Pro- solcher ÜUbertretungen festgesetzt werden, zu deren
zeßordnungen und wegen der Literatur Aburteilung im gerichtlichen Verfahren die
außer den Kommentaren zur St PO. den Art. vrdentlichen Gerichte zuständig sind (§ 11 des G.;
Strafgesetzbuch. MStG#O. 8§ 2). Der Polizeiverwalter hat sich
aeselalerner man Olgorddienpchtibrechung des Reiche des Erlasses einer Strafverfügung zu enthalten
strafrechtlichen Praxis, . Teil: Das sormelle Strasbecht, und die Abgabe an die Amtsanwaltschaft zu ver-
190. anlassen, wenn er die Anwendung eines seine
Strafregister s. Staatsanwaltschaft II, Kompetenz übersteigenden Strafmaßes für an-
Mitteilung von Entscheidungen II/| gezeigt erachtet, wenn er in Erfahrung bringt,
und Reichs-Justizamt, sowie Nach= daß der Amtsanwalt bereits die gerichtliche
richten verkehr (polizeilicher). Verfolgung eingeleitet hat, oder wenn er ein
Strafresolute f. Verwaltungsstraf= persönliches Interesse am Ausgang der Sache hat
verfahren I. (Anw. § 2 Abs. 2). Ob der Polizeiverwalter
Strafsenate s. Senate. berechtigt ist, aus Zweckmäßigkeitsgründen, z. B.
Strafverfügungen, polizeiliche. I. Der Er= wegen Geringfügigkeit des angerichteten Scha-
laß polizeilicher Strafverfügun= dens, von der Verfolgung überhaupt abzusehen,
gen ist die einzige richterliche Befugnis, welche d. h. weder selbst einzuschreiten, noch den Fall
der Polizeiverwaltung als Rest der im übrigen an den Amtsanwalt weiterzugeben, ist sehr be-
aufgehobenen Polizeigerichtsbarkeit (s. d.) ver= stritten. Nach § 2 der Anw. steht ihm nur die
blieben ist. Die Verhängung von Polizeistrafen Prüfung zu, ob er selbst eine Strafverfügung
bietet einen Weg, leichte Verstöße gegen das erlassen oder die Sache zur gerichtlichen Ver-
Strafgesetz schneller, als es im ordentlichen folgung abgeben will. Auch bei Ubertretungen
Strafprozeß möglich ist, und ohne die mit einem kann die Unterlassung der Strafverfolgung den
solchen verbundenen Kosten und Unbequemlich= Tatbestand des 8 346 St GB. begründen (RGSt.
keiten für den Beschuldigten zu ahnden. Aus 12, 161).
diesem Grunde erhält § 453 St PO. das Recht II. Die materiellrechtliche Beur-
der Polizcibehörde aufrecht, in Gemäßheit der teilung der strafbaren Handlung erfolgt nach
Landesgesetze gegen Ubertretungen Geldstrafen,den Vorschriften im allgemeinen Teile des St-
oder Haft bis zu 14 Tagen festzusetzen. In Preu-GB. Der Hoöchstbetrag der Geldstrafe ist auf
ßen war das Verfahren geregelt durch das G.30 K, das Höchstmaß der Haft auf 3 Tage be-
über die vorläufige Straffestsetzung wegen Uber= schränkt, auch wenn sie an Stelle einer nicht bei-
tretungen vom 14. Mai 1852 (GS. 245). Dieses zutreibenden Geldstrafe tritt, 1 Tag Haft ist einer
ist ersetzt durch das G., betr. den Erlaß po-Vermögensstrafe von 1—15 4 gleichzuachten
lizeilicher Strafverfügungen we-(8 1 Abs. 3 des G.; Anw. § 9 Abs. 3). Neben der
gen Ubertretungen, vom 23. AprilStrafe kann in den gesetzlich zugelassenen Fällen
1883 (GS. 65), mit Zusätzen vom 26. Juli die Einziehung (s. d.) ausgesprochen werden (§ 1
1897 (GS. 387) und vom 22. Juni 1907 (GS. des G.). Außer der Festsetzung der Strafe muß
145), zu deren Ausführung die Anw. vom 8. Juni die polizeiliche Strafverfügung angeben die straf-