Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Straßenherstellungskosten (Anliegerbeiträge) 669 
die sog. historischen Straßen — bezüglich des Zu Anliegerbeiträgen können nur die ein- 
Begriffs s. unter Straßen= und Bau-getragenen Grundstückseigentümer 
sluchtliniengesetz III 2 — hier nicht in 
Betracht kommen (OV##. 38, 145). — Als 
„Straßenteil“ ist ein durch besondere Merkmale, 
abschnitt anzusehen. Bei sehr breiten Straßen 
mit zwei Fahrdämmen und zwei Bürgersteigen 
wird jede Straßenseite für sich als Straßen- 
teil gelten können (OV.G. 35, 86; 37, 55; 42, 365). 
2. Die Gemeinde lann nach § 15 von dem 
Straßenunternehmer und den Anliegern alter- 
nativentweder die Perstellung der Straße 
und ihre Unterhaltung während der ersten fünf 
Jahre oder die Erstattung der hierfür wirk- 
lich aufsgewendeten Kosten — Anlieger- 
beiträge — fordern. Tatsächlich wird in der 
Regel allerdings die Herstellung der Straße 
nur von dem Unternehmer, nicht auch von den 
einzelnen Anliegern gefordert und werden letz- 
tere lediglich zu Anliegerbeiträgen herangezogen 
(O. 39, 103; 40 S. 103, 110; Pr VBl. 22, 479). 
Zu den Kosten der „Freilegung"“ gehört 
der Erwerb des Grund und Bodens für die 
Straße einschließlich der darauf befindlichen 
Gebäude sowie auch die Kosten der zum Grund- 
erwerb notwendig gewordenen Prozesse u. a. m.; 
vgl. hierzu OG. 13, 165; 17, 186; 25, 93; 
41, 117; Pr BBl. 19, 357; 22, 445; JWMVBl. 
1883, 334. Die erste Einrichtung“ 
der Straße bedeutet den Ausbau des Verkehrs- 
raums als städtische Straße (Pr BBl. 22, 445). 
Die Vorschrift, daß die Herstellung der Straße 
in der dem Bedürfnis entsprechen- 
den Weise erfolgen soll, bedingt nicht, daß das 
Maß der Leistung genau den Anforderungen 
entspricht, die nach den ortspolizeilichen Be- 
stimmungen an anbaufähige Straßen — pgl. 
unter Straßen und Baufluchtlinien- 
gesetz III — zu stellen sind. In den betreffen- 
den Bestimmungen ist nur das Mindest- 
maß der Anforderungen festgestellt, ohne das 
die Straße als anbaufähige Straße nicht gelten 
kann. Das Straßenbauprogramm der Ge- 
meinde kann über die polizeilichen 
Anforderungen wohl hinausgehen, darf indessen 
keinesfalls hinter diesen zurückbleiben. Wenn 
die polizeilichen Vorschriften über die Straßen- 
herstellung weitergehen als das Ortsstatut, 
bleibt die Differenz zu Lasten der Gemeinde 
(vgl. Friedrichs a. a. O. S. 213 ff.). Unter die 
Beitragspflicht fällt nicht eine spätere Ver- 
besserung der einmal fertiggestellten Straße, 
wohl aber die Umwandlung einer proviso- 
rischen Straßenanlage in einen endgültigen, 
dem Straßenbauprogramm der Gemeinde ent- 
sprechenden Zustand (O##G. 25 S. 96, 98, 100; 
35, 73 ff.; Pr BBl. 15, 3; 22, 479; 35, 78). 
3. Die Anlieger können nur für die 
Hälfte der Straßenbreite, höchstens aber 
für 13 m Straßenbreite zu Anliegerbeiträgen 
herangezogen werden. Die [Straßen- 
breite ist nach OV#G. im Pr VBl. 5, 59 von 
der Mitte der Straße nach den Flucht- 
linien zu, nicht umgekehrt zu berechnen. 
In der Praxis werden jedoch meist die Bei- 
träge nach dem Verhältnis von 26 zu der ganzen 
Breite der Straße berechnet (O VG. 37 S. 55, 60; 
41 S. 117, 143; Friedrichs a. a. O. S. 178 ff.). 
  
  
herangezogen werden, nicht auch andere Perso- 
nen, selbst wenn sie mit Wissen und Willen des 
Eigentümers gebaut haben, z. B. der Käufer, 
z. B. Querstraßen, Brücken, erkennbarer Straßen- 
berechtigte (OVG. 25, 85; Pr Wl. 10, 76). 
Anliegerbeiträge sind ihrer rechtlichen Eigen- 
schaft nach Gemeindelasten, und zwar 
dinglicher Natur (O#. 17 S. 163, 172; 
dem noch nicht aufgelassen ist, Pächter, Erbbau- 
32, 345; 33, 125; 34 S. 83, 246); sie sind „ge- 
meine“ Lasten im Sinne des A. z. G., betr. 
Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 
vom 23. Sept. 1909 (GS. 291) Art. 1 Ziff. 2 
und als solche von der Eintragung im 
Grundbuche ausgeschlossen (As- 
GBO. vom 26. Sept. 1899 — GS. 307 — 
in Verbindung mit § 10 Ziff. 3 des G. über 
die Zwangsversteigerung und Zwangsverwal- 
tung vom 24. März 1897/20. März 1898 — 
RGBl. 1897, 97; 1898, 713). 
4. Die Kostenerstattungspflicht 
der Anlieger tritt ein, sobald diese 
Gebäude an der Straße errichten; 
sie entsteht somit rechtlich schon damit, daß der 
Bau begonnen wird. Tatsächlich jedoch kann 
die Forderung erst geltend gemacht werden, d. h. 
sie wird erst fällig und zahlbar, sobald die Möglich- 
keit vorliegt, die Kosten der gesamten Straßen- 
anlage zu berechnen und die anteiligen Beiträge 
der Anlieger festzustellen. Diese Möglichkeit ist 
aber erst nach Fertigstellung der 
ganzen Straße gegeben (O##. 38, 127; 
40, 98; 41, 110; 43, 13; Pr BBl. 23, 761; 25, 509). 
Wenn ein Gebäude an der Straße errichtet wird, 
während sie noch in der Anlegung begriffen ist, 
so entsteht die Beitragspflicht erst nach Be- 
endigung des Ausbaues der Straße, sobald die 
Möglichkeit vorliegt, die Kosten zu berechnen 
(OVG. 36, 61). Bleibt ein begonnener Bau 
später liegen, so werden trotzdem die Beiträge 
nach Fertigstellung der Straße fällig; übrigens 
findet die Heranziehung zu Anliegerbeiträgen. 
erst nach Vollendung der Bauten statt (O# G. 
25, 85; Pr BBl. 12, 387). Für die Entstehung 
der Verpflichtung zur Entrichtung des Beitrages 
ist der Zeitpunkt des Baubeginns maßgebend. 
War also mit dem Bau bereits begonnen, als 
die ersten Schritte zur Anlegung der Straße 
getan wurden, so ist der Eigentümer nicht bei- 
tragspflichtig (OV.G. 45, 92). Waren Gebäude 
bereits vor Anlegung der Straße errichtet, so 
ist eine Heranziehung zu Anliegerbeiträgen un- 
zulässig, denn in diesem Falle sind nicht die Ge- 
bäude an der Straße errichtet, sondern die 
Straße ist an die Gebäude gelegt (O V G. 3, 292; 
13, 173). Als „Gebäude" kommen Baucich- 
keiten aller Art (s. unter Bauten) in Betracht, 
auch geringfügige Anlagen wie Verkaufshallen, 
Schuppen usw. (vgl. O# G. 17, 173; 37, 34; 
Pr BBl. 22, 444; 23, 359). Die Errichtung 
von Wohn gebäuden wird im § 15 nicht ge- 
fordert. Bei Anbauten an schon vorhandene 
Bauten ist zu prüfen, ob der Anbau nach seiner 
Konstruktion einem selbständigen Gebäude gleich- 
zuachten ist. Balkons, Erker gehören nicht zu 
solchen Anlagen (O# G. 25, 91; 41, 128). Die 
Gebäude müssen an der Straße liegen, d. h. das 
Baugrundstück muß unmittelbar die Straße be-
	        
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