Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

774 Ungedeckter Notenumlauf — Ungehorsamsstrafe gegen Zeugen und Sachverständige 
Zeichen der Autorität eines nicht zum Deutschen 
Reiche gehörenden Staates oder an einem Ho- 
heitszeichen eines solchen Staates (§ 103 a), ferner 
unter den Vergehen, welche sich auf die Religion 
beziehen, die Verübung beschimpfenden U. in 
einer Kirche oder in einem anderen zu religiösen 
Versammlungen bestimmten Orte (§ 166) und 
an einem Grabe (8 168), besonders aber unter 
den Übertretungen schlechthin die Verübung gro- 
ben U. (§ 360 Ziff. 11). Diese Übertretung hat 
einen sehr allgemeinen Tatbestand, und es wird 
ihr deshalb teilweise ein zu weites Anwendungs- 
gebiet eingeräumt, indem man sie dazu benutzen 
will, Handlungen, die strafbar erscheinen, aber 
wegen des Grundsatzes nulla na sine lege 
Poenali nicht bestraft werden können, doch zu 
ahnden. Es ist vielmehr bei ihr festzuhalten, daß 
sie nur dann vorliegt, wenn durch die Handlung 
das Publikum in seiner unbestimmten Allgemein- 
heit unmittelbar belästigt oder gefährdet wird, und 
zwar derart, daß die Belästigung oder Gefähr- 
dung sich als eine Verletzung oder Gefährdung 
des äußeren Bestandes der öffentlichen Ordnung 
darstellt (R#St. 32, 101; 34 S. 364, 425; 36, 213). 
In solcher Weise läßt sich auch durch die Presse 
mittels Veröffentlichung beunruhigender oder den 
öffentlichen Frieden störender Zeitungsartikel 
grober U. verüben (Rt. 16, 98; 19, 294; 
25, 404; 27, 292). Als Publikum im Sinne der 
Ziff. 11 können die Bewohner eines von ver- 
schiedenen Parteien bewohnten Miethauses an- 
gesehen werden. Zur Strafbarkeit des groben U. 
genügt es, daß die Handlung selbst eine vorsätz- 
liche und der Täter sich ihrer Rechtswidrigkeit 
bewußt gewesen ist. Das Bewußtsein des Täters, 
daß das Publikum gefährdet oder belästigt werde, 
ist nicht erforderlich, sondern es reicht aus, wenn 
der Täter bei der nötigen näheren Überlegung 
u der Überzeugung hätte kommen müssen, daß 
seine Handlung die vorbezeichnete Wirkung haben 
werde (R#t. 16, 98). Immer aber muß der 
Erfolg eine unmittelbare Folge der Handlung 
selbst sein (R# St. 19, 294). Der Boykott eines 
Gewerbetreibenden ist zwar nicht als solcher, 
wohl aber insbesondere dann strafbar, wenn die 
Verrufserklärung öffentlich erfolgt, oder wenn 
zum Zwecke der Durchführung der Maßregel 
Handlungen vorgenommen werden, die den Ver- 
kehr oder die öffentliche Ordnung gefährden oder 
verletzen und das Publikum zu belästigen oder zu 
beunruhigen geeignet sind (Sächs Arch. 1, 257). 
III.. Dem groben U. nahe verwandt ist die un- 
gebührliche Erregung ruhestörenden Lärms (s. 
Ruhestörung,). 
acke, Der grobe Unsug; Müller, Gegen den 
groben Unfug; Saran, #0%„ grobe Unfug, insbeson- 
dere der Preßunfug; Hubrich, Zur Lehre vom ruhe- 
störenden Lärm und groben Unfug in 8StW. 30, 680. 
Ungedeckter Notenumlauf s. Bankwesen 
III und Reichsbank. 
Ungehorsamsstrase gegen Zeugen und Sach- 
verständige. I. Um die Zeugnispflicht und die 
Sachverständigenpflicht, soweit sie bestehen (s. 
Zeugen und Sachverständige), zur 
Anerkennung zu bringen, sind Zwangsmittel, 
namentlich Strafen, welche den Charakter von 
Ordnungsstrafen haben (s. d. und Strafen 1), 
notwendig und zugelassen. Daneben bedroht 
§ 138 StE. das Vorschützen einer unwahren 
Tatsache als Entschuldigung seitens eines Zeugen 
  
  
und eines zum Erscheinen gesetzlich verpflichteten 
Sachverständigen ganz allgemein und ohne Un- 
terscheidung des Verfahrens, in welchem der Zeuge 
beer der Sachverständige vernommen werden 
ollte. 
II. Nach §§ 380, 381 8 PO. ist ein ordnungs- 
mäßig geladener Zeuge, welcher nicht erscheint, 
ohne daß es eines Antrages bedarf, in die durch 
sein Ausbleiben verursachten Kosten sowie zu 
einer Geldstrafe bis zu 300 K und für den Fall, 
daß diese nicht beigetrieben werden kann, zur 
Strafe der Haft bis zu sechs Wochen zu verurtei- 
len. Bei wiederholtem Ausbleiben ist die Strafe 
noch einmal zu erkennen; auch kann die zwangs- 
weise Vorführung des Zeugen angeordnet wer- 
den. Gegen die betreffenden Beschlüsse findet 
die Beschwerde mit aufschiebender Wirkung statt 
(§ 572 Abs. 1). Die Festsetzung und Vollstreckung 
der Strafe gegen eine dem aktiven Heere oder der 
aktiven Marine angehörende Militärperson, auch 
Militärbeamte und Zivilbeamte der Militärver- 
waltung, erfolgt auf Ersuchen durch das Militär- 
gericht, jetzt den Gerichtsherrn (E MSt. 
§ 19), die Vorführung einer solchen Person auf 
Ersuchen der Militärbehörde (83 Bl. 1880, 480). 
Sonst ist die Strafe nach den Bestimmungen der 
8Z., insbesondere nach den §8§ 904 ff. zu voll- 
strecken. Die Anordnungen unterbleiben oder 
werden wieder aufgehoben, wenn der Zeuge 
sein Ausbleiben genügend entschuldigt. Unzu- 
lässig ist die Inhaftnahme von Mitgliedern einer 
deutschen gesetzgebenden Versammlung während 
der Sitzungsperiode, sofern nicht die Versamm- 
lung die Vollstreckung genehmigt (§ 904 Ziff. 1); 
dagegen kann die zwangsweise Vorführung un- 
geachtet Art. 31 RV. und Art. 84 Vl. auch ohne 
Genehmigung geschehen. In dieselbe Strafe wie 
beim Nichterscheinen ist der Zeuge zu verurteilen, 
der zwar erscheint, aber die Aussage oder die 
Eidesleistung ohne Angabe eines Grundes oder, 
nachdem der vorgeschützte Grund in dem dafür 
geordneten Verfahren (8§8 386—389) rechts- 
kräftig für unerheblich erklärt worden ist, ver- 
weigert. Im Falle wiederholter Weigerung ist 
aber keine weitere Strafe zu verhängen, sondern, 
und zwar nur auf Antrag (Ausnahmen: §8 653 
Abs. 2, 676 Abs. 3, 680 Abs. 3, 685), zur Er- 
zwingung des Zeugnisses die Zeugniszwangs- 
haft anzuordnen, die jedoch nicht über sechs Mo- 
nate und nicht über die Beendigung des Pro- 
zesses in der Instanz hinaus dauern darf. Be- 
züglich der Beschwerde und der Militärpersonen 
gilt hierbei das gleiche wie beim Nichterscheinen 
(§ 390). Ein zur Erstattung des Gutachtens ver- 
pflichteter Sachverständiger wird im Falle des 
Nichterscheinens oder der Weigerung zum Er- 
satze der Kosten und zu einer Geldstrafe bis zu 
300 .K verurteilt. Haftstrafe, Zwangshaft und 
Vorführung wie beim Zeugen sind nicht zulässig. 
Bei wiederholtem Ungehorsam kann noch ein- 
mal auf eine Geldstrafe bis zu 600 .K erkannt wer- 
den. Gegen den Beschluß findet Beschwerde 
statt. Die Festsetzung und Vollstreckung der 
Strafe gegen eine dem aktiven Heere oder der 
aktiven Marine angehörende Militärperson er- 
folgt entsprechend den 8§ 380, 390 Abs. 4 auf Er- 
suchen durch das Militärgericht (§ 409), jetzt den 
Gerichtsherrn (s. o.). # 
III. Den Bestimmungen der 3PO. über die 
 
	        
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