Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Unterstützungswohnsitz 
kennen und zwangsfreies Wollen hinsichtlich der 
Wahl des Aufenthalts ausgeschlossen ist, aber 
nicht bei Personen, die an geistiger Beschränkt- 
heit, Trübsinn oder Wahnvorstellungen nur in 
einem Grade leiden, der sie der freien Selbst- 
bestimmung in der Wahl des Aufenthalts nicht 
beraubt (BAp. 19, 13; 22, 5; 23, 11). Zwingende 
Beweggründe für die Wahl des Aufenthalts 
beseitigen die freie Selbstbestimmung nicht (BAP. 
16, 8; 35, 10; 36, 13; 40, 7); dagegen liegt sie 
nicht vor bei Unterbringung eines Zwangs- 
erziehungszöglings in einen Dienst (BAp. 40, 4). 
— Unfreiwillige Entfernungen aus einem Ort 
(z. B. zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe, Ab- 
leistung der Militärpflicht, polizeiliche Auswei- 
sung) begründen keine Unterbrechung der 
Aufenthaltsfrist, sondern ein Ruhen ihres 
Laufes, so daß die Rückkehr als Fortsetzung des 
früheren Aufenthalts gilt (BAH. 28, 31; 30, 20; 
33, 6). Ob bei einer freiwilligen Entfernung 
die Absicht bestand, den Aufenthalt als gewöhn- 
lichen beizubehalten oder ihn aufzugeben, und 
ob bei der Rückkehr beabsichtigt wurde, den 
Aufenthalt dauernd fortzusetzen oder nicht, kann 
nur aus den Umständen des Einzelfalls ent- 
nommen werden (BAPH. 14, 21; 38, 6). Im 
Prozesse liegt der Beweis dafür, daß eine Ent- 
fernung die Aufenthaltsfrist nicht unterbrochen. 
oder daß eine Rückkehr die Abwesenheitsfrist 
unterbrochen hat, demjenigen AV. ob, der einen 
Anspruch darauf stützt, daß der U. bei dem in 
Anspruch genommenen A#. begründet sei (Ba. 
18, 8; 23, 18 ff.). Umgekehrt hat der klagende 
Au., wenn er die Landarmeneigenschaft des 
Unterstützten behauptet, gegebenenfalls nachzu- 
weisen, daß die Entfernung den Erwerb des 
U. gehindert, weil sie als Unterbrechung des 
Aufenthalts gewirkt hat, und daß die Rückkehr 
dem Verluste des U. nicht entgegengestanden, 
weil sie die Abwesenheit nicht unterbrochen hat 
(BeAp. 24, 27; 32, 25). Im einzelnen ist in 
der Rechtsprechung des BA. angenommen, 
daß Reisen, die nur zu kurzen Besuchen oder 
sonstigen vorübergehenden Zwecken unternom- 
men werden, insbesondere um die Erwerbs- 
verhältnisse an einem anderen Orte zu erfahren, 
den Aufenthalt, und daß die Rückkehr zur Er- 
ledigung vorübergehender Geschäfte, insbeson- 
dere zur Beschaffung von Ausweispapieren, Klei- 
dungsstücken, Besuch der Angehörigen, die Ab- 
wesenheit nicht unterbrechen (BAH. 2, 16; 3, 
30; 4, 17; 7, 13; 8, 7; 10 S. 1, 4; 27, 3; 38, 5). 
Ob nur vorübergehende Abwesenheit und nur 
besuchsweise Rückkehr vorliegt, muß nach den 
tatsächlichen Umständen jedes einzelnen Falles 
entschieden werden. Hierbei sind weder die von 
der betreffenden Person abgegebenen Erklä- 
rungen, daß sie den Aufenthalt beibehalten oder 
nur besuchsweise kommen zu wollen, noch die 
Dauer der Entfernung oder des Besuchs von 
ausschlaggebender Bedeutung (BAp. 21, 14; 
22, 4; 37, 1). — Die Gewährung einer öffent- 
lichen Unterstützung bewirkt ein Ruhen des 
Fristenlaufes nur, wenn sie notwendig 
gewesen ist, da sie sich sonst nicht als Ausübung 
der öffentlichen Armenpflege darstellt (BA. 
32, 34). Als Zeitpunkt der Gewährung kann 
schon der Zeitpunkt der Benachrichtigung des 
Hilfsbedürftigen von der Bewilligung der Unter- 
  
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stützung angesehen werden, wenn die Empfang- 
nahme von ihm verzögert wird (BA. 19, 25). 
Anderseits kann eine tatsächlich nicht gewährte 
Unterstützung als am Tage des Bedürfnisses ge- 
währt angesehen werden, wenn durch die pflicht- 
widrige Vorenthaltung der Unterstützung von 
dem endgültig verpflichteten AV. eine Abschie- 
bung der Unterstützungspflicht auf einen anderen 
Au. bezweckt worden ist (BA. 9, 5). Anders 
ist die Sachlage zu beurteilen, wenn der vorläufig 
fürsorgepflichtige A#. des Aufenthalts die Ge- 
währung von Unterstützung verzögert (BAfp. 16, 
24). Der säumige AV. kann niemals die Ver- 
zögerung zu seinem Vorteil geltend machen 
(BaA. 21, 25). Durch nachträgliche Bezahlung 
von Leistungen für einen Hilfsbedürftigen, zu 
der sich der AV. nicht vorher verpflichtet hatte, 
kann die Hemmung des Fristenlaufs für die Ver- 
gangenheit ebensowenig herbeigeführt werden, 
wie durch nachträgliche Gewährung einer Unter- 
stützung für einen bereits abgelaufenen Zeit- 
raum (B#. 41, 27). — Die Frist ruht während 
desienigen Zeitraums, für welchen die Unter- 
stützung gewährt worden ist, doch ist bei Ge- 
währung von Kleidungsstücken u. dgl. nicht deren 
ganze Tragezeit als Zeitraum der Unterstützung 
anzusehen (BApH. 33 S. 11, 14). Auch sonstige 
Unterstützungen, die zur Befriedigung einmaliger 
Bedürfnisse gegeben worden sind, wie z. B. die 
Lieferung einer Krücke oder eines künstlichen 
Beins, führen ein Ruhen des Fristenlaufs nur 
für den Tag der Gewährung herbei (B. 32, 
28; 39, 10). — Als öffentliche Unterstützung 
gelten auch Leistungen von Privatpersonen, die 
von dem A#. nur vorgeschoben worden sind, 
um den Schein zu erwecken, daß Armenpflege 
nicht gewährt, und daher der U. an einem 
anderen Orte durch unterstützungsfreien Aufent- 
halt erworben sei (BAH. 11, 19; 13, 15; 23, 29). 
Ob eine Leistung des A#. als eine den Fristen- 
lauf hemmende Unterstützung zu betrachten ist, 
hängt von dem am Orte der Unterstützung hin- 
sichtlich der Art und des Maßes der Armen- 
pflege geltenden Rechte ab. Nicht nur die un- 
mittelbare Unterstützung eines Hilfsbedürftigen, 
sondern auch die mittelbare, die er durch Hilfe- 
leistung an die seinen U. teilenden Angehörigen 
(Ehefrau und Kinder unter 16 Jahren) erhält, 
hemmt für ihn den Fristenlauf (BA. 20, 17; 
22, 132; 24, 32). Die spätere Erstattung der 
Unterstützung durch privatrechtlich hierzu Ver- 
pflichtete macht die Unterbrechung des Fristen- 
laufs nicht rückgängig (BAH. 34, 29), ebenso- 
wenig die Erstattung aus einer Unfallrente des 
Unterstützten (BAß. 36, 22), wohl aber die Er- 
stattung der vom A#V. einem Mitglied einer 
Krankenkasse gewährten Unterstützung durch diese 
Kasse gemäß KVG. §. 77 von dem A#. (BAH. 
24, 28; 30, 94; 37, 11). — Während das Ruhen 
der Frist nur zur Folge hat, daß der betreffende 
Zeitraum des Ruhens auf die Frist nicht zur 
Anrechnung kommt, bewirkt die Unter- 
brechung der Frist (durch Stellung des 
Übernahmeantrags), daß die bisher abgelaufene 
Zeit auch später außer Betracht bleibt und eine 
neue einjährige Frist zu laufen beginnt, so- 
bald Unterstützung nicht mehr gewährt wird. 
Der Antrag muß, um die Unterbrechung zu be- 
wirken, auf Grund des § 5 Freizüg G. gestellt
	        
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