Verfassung (preußische) 823
zeichnung der beiden Kammern geändert wor= fluß dieser Stellung, ohne sie zu erschöpfen.
den ist (s. Abgeordnetenhaus sowie Obenan stellt Art. 43 den Grundsatz: „die
Herrenhaus), dem G. vom 10. Juni 1854F Person des Königs ist unverletzlich", womit
(GS. 363) wegen der Reichsunmittel-! hausgesprochen wird, daß der König keinerlei,
baren (s. d.) und dem G. vom 27. März 1872 irgendwie geartete Verantwortung trägt (the
(GS. 278), wegen Ausschließung der Mitglieder king can not do wrong). Für die Regierungsakte
der Oberrechnungskammer (s. d.) des Königs, welcher ohne Einwilligung des Land-
von der Mitgliedschaft der beiden Häuser des tages nicht zugleich Herrscher fremder Reiche sein
Landtages, hervorzuheben 1. das G. vom darf (Art. 55), sind, wie schon erwähnt, die Minister
18. Juni 1875 (GS. 259), durch welches die verantwortlich (Art. 44; s. hierzu Minister).
die Verhältnisse der Religions-Dem Könige allein steht die vollziehende Gewalt
gesellschaften regelnden Art. 15, zu. Er ernennt und entläßt die Minister. Er
16 u. 1 8 aufgehoben worden sind, nachdem befiehlt die Verkündigung der Gesetze und er-
bereits durch G. vom 5. April 1873 (GS. 143) läßt die zu deren Ausführung nötigen Ver-
die Art. 15 u. 18 einer Anderung unterzogen ordnungen (Art.-45). Er führt den Oberbefehl
worden waren; 2. das G. vom 5. Juni 1852 über das Heer (Art. 46) und besetzt alle Stellen
(GS. 319), durch dessen Art. 2 u. 3 die von im Heere sowie in den übrigen Zweigen des
der Errichtung von Lehen handeln= Staatsdienstes, sofern nicht das Gesetz ein an-
den Art. 40 u. 41 V U. ersetzt sind; 3. das G. deres verordnet (Art. 47). Der König hat das
vom 14. April 1856 (GS. 353), durch welches Recht Krieg zu erklären und Frieden zu schließen,
das gleiche mit dem die freie Verfügung auch, vorbehaltlich bestimmter Arten von Ver-
über das Grundeigentumregeln= trägen, mit fremden Regierungen andere Ver-
den Art. 42 geschehen ist; 4. das G. vom träge zu errichten (Art. 48); er hat ferner das
7. Mai 1853 (GS. 181), durch welches die auf Recht der Begnadigung und Strafmilderung,
die Bildung der ersten Kammer kann aber bereits eingeleitete Untersuchungen.
bezüglichen Art. 65—68 in Fortfall gebracht nur auf Grund eines besonderen Gesetzes nieder-
worden sind (s. Herrenhaus); das G. schlagen (Art. 49). Ihm steht die Verleihung
vom 27. Mai 1888 (GS. 137), durch welches von Orden und anderen mit Vorrechten nicht
die Legislaturperiode (Nrt. 73 — verbundenen Auszeichnungen zu; er übt das
s. d.), 5. das G. vom 18. Mai 1857 (GS. 369), Münzrecht nach Maßgabe des Gesetzes (Art. 50).
durch welches die Berufung der Kam--Die richterliche Gewalt wird in seinem Namen
mern (Art. 76), und das G. vom 30. Mai durch unabhängige, keiner anderen Autorität
1855 (GS. 316), durch welches die Beschluß= als der des Gesetzes unterworfene Gerichte aus-
fähigkeit des Herrenhauses (Art. 80) ander-Leübt; in seinem Namen werden die Urteile aus-
weit festgesetzt worden sind; 6. das G. vom Pefertigt und vollstreckt (Art. 86). Wegen der
10. Juli 1906 (G. 333), durch welches Art. 112| Thronfolge, sowie der Ehren= und Vermögens-
Vu. aufgehoben und der die Regelung des rechte des Königs s. König und König.-
Schul= und Unterrichtswesens be-liches Haus, sowie Kronfideikom-
treffende Art. 26 geändert worden ist (s. Schul-miß, Thronfolge.
gesetzgebung IV). Weitere gesetzliche An-V. Demgegenüber stehen die Rechte der
derungen — G. vom 19. Febr. 1879 (GS. 18),Volksvertretung. Sie äußern sich nach
vom 21. Mai 1852 (GS. 249), vom 30. April 1856 der formellen Seite hin in den Vorschriften
(GS. 297) —betreffen die dem Abschn. VI von der über den Zusammentritt des Land-
richterlichen Gewalt angehörenden Art. 87 (durch tags. Der König beruft und schließt
Hin3zufügung eines Art. 87 a), 94, 95 u. 88, den Landtag (Art. 51 Satz 1), und zwar gleich-
welcher letztere ausdrücklich aufgehoben worden zeitig beide Häuser (Art. 77); er ist jedoch ver-
ist. Das gleiche ist mit Art. 114 (aus den all- pflichtet, den Landtag regelmäßig in dem Zeit-
gemeinen Bestimmungen) durch das schon er- raum von dem Anfange des Monats November
wähnte G. vom 14. April 1856 (G. 353) ge-sjedes Jahres bis zur Mitte des folgenden Ja-
schehen. Die Art. 70—72 u. 74, die Wahlen zur muar einzuberufen (Art. 76 — in der Fassung
zweiten Kammer betreffend, sind überhaupt des G. vom 18. Mai 1857 — GS. 369). Der
nicht in Kraft getreten (s. Abgeordneten = König kann den Landtag vertagen. Obhne
haus). Zu Anderungen der B. ist dessen Zustimmung darf indessen die Vertagung
der Weg der ordentlichen Gesetzgebung und die die Frist von 30 Tagen nicht überschreiten u
gewöhnliche absolute Stimmenmehrheit aus- während derselben Session nicht wiederholt wer-
reichend; es müssen jedoch in jedem Hause den (Art. 52). Der König kann das Abgß. bei
zwei Abstimmungen, zwischen welchen ein Zeit- gleichzeitiger Vertagung des Herrenhauses
raum von wenigstens 21 Tagen zu liegen hat, auflösen. Es müssen aber in einem solchen
stattfinden (Art. 107). Diese Abstimmungen Falle innerhalb eines Zeitraums von 60 Tagen
müssen in einem Hause beendet sein, bevor nach der Auflösung die Wähler und innerhalb
der betreffende Gesetzentwurf an das andere eines Zeitraums von 90 Tagen nach der Auf-
Haus gelangt (Schreiben des St M. vom 10. Mai lösung die Häuser versammelt werden (Art. 51
1867 — Sten B. des Herrenhauses 1867 Satz 2 u. 3 und 77 Abs. 3). In materieller
Bd. 1 S. 14, 15). Beziehung gipfeln die Rechte der Volks-
IV. Die Stellung des Königs in wvertretung in der Teilnahme an der
der V. ist bereits vorher als der Jubegriff und Gesetzgebung. Die gesetzgebende Gewalt
die Verkörperung des staatlichen Lebens be= wird gemeinschaftlich durch den König und die
zeichnet worden. Die Rechte, welche die beiden Häuser des Landtags geübt. Die Über-
V. dem Könige garantiert, sind ein Aus= einstimmung des Königs und beider Häuser ist