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richtigen Bemessung dieser Gefahrenklasse, des
sog. Risikos, liegt die eigentliche technische
Schwierigkeit der Versicherung. Bei der Sachen-
versicherung (gegen Brand, Hagel usw.) unter-
scheidet man die Versicherungssumme von der
Schadenssumme, nur der wirkliche Wert der zer-
störten Sache wird dem Versicherten ersetzt,
die der Prämienbemessung zugrunde liegende
Versicherungssumme stellt nur den Höchstbetrag
für die Bewertung des Schadens dar. Bei der
eigentlichen Versicherung, mag sie von Privat-
gesellschaften oder von öffentlichen Sozietäten
(s. Feuerversicherung) betrieben wer-
den, muß die Gesamtheit der Entschädigungen
unbedingt in der Gesamtheit der ausgebrachten
Prämien dauernd ihre Deckung finden. Sie
unterscheidet sich dadurch von öffentlichen Ver-
sicherungseinrichtungen, insbesondere den durch
die soziale Fürsorgegesetzgebung des Reiches ge-
schaffenen, bei denen eine individuelle Prüfung
des Risikos nicht stattfindet, die Beitragslast nicht
von den Versicherten allein getragen wird und
gewöhnlich ein öffentlicher Verband als Träger
der Verpflichtungen der Versicherungsanstalten
im Hintergrunde steht. Die Versicherung ist in
Deutschland im allgemeinen erst im 19. Jahrh.
aufgekommen (das Nähere s. bei Lebens--,
Feuer-, Hagel-, Transportver-
sicherung). Mit der fortschreitenden wirt-
schaftlichen Entwicklung bilden sich fortwährend
neue Zweige der Versicherung, so sind in letzter
Zeit besonders die Rückversicherung (d. h. die
Versicherung der Versicherungsunternehmer für
einen Teil des von ihnen übernommenen Risi-
los), die Haftpflichtversicherung und die Ver-
sicherung gegen Reiseunfälle, Einbruchsdiebstahl,
Wasserleitungsschäden usw. ausgekommen. Die
beämat reschtlichem Beziehungen der Ver-
icherung richten sich jetzt im wesentlichen nach
dem Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag
vom 30. Mai 1908 (s. Versicherungsver-
tragsgesetz). In öffentlichrecht-
licher Hinsicht ist das V. einheitlich durch das
G. über die privaten Versiche-
rungsunternehmungen vom 12. Mai
1901 (RBl. 139) geregelt, welches die frühere
Buntscheckigkeit der Landesgesetzgebungen auf
diesem Gebiete beseitigt hat. Unberührt läßt das
Gesetz die auf Grund landesgesetzlicher Vor-
schriften errichteten öffentlichen Versicherungs-
anstalten, §§ 119, 120 (in Preußen die öffent-
lichen Feuerversicherungssozietäten, s. Feuer-
versicherung, Feuerversicherungs-
anstalten). Auch die Besteuerung der Ver-
sicherungsunternehmungen und ihrer Zweig-
niederlassungen in den einzelnen Bundesstaaten
ist unberührt geblieben, ungeachtet der lebhaften
in dieser Hinsicht von den Versicherungsgesell
schaften erhobenen Beschwerden. Das Gesetz
steht, entsprechend der bis dahin in Preußen
herrschenden Auffassung, auf dem Standpunkte
des Konzessionsprinzips und der eingehenden
staatlichen Beaufsichtigung der Versicherungs= P
anstalten. Die Statistik des V. gehört mit
zu den Aufgaben des Aufsichtsamts für Privat-
versicherung (s. d.). Vgl. Gegenseitig-
keit (Versicherungsgesellschaften
auf); Versicherungsunternehmungen
(private).
***'eee
Verstaatlichung der Eisenbahnen s. Eise n-
bahnen (Allgemeines) und Staats-
eisenbahnen. Wegen des gesetzlichen Rechts
des Staates zum Erwerbe von Kleinbahnen s.
Kleinbahnen VI.
Bersteigerer, Versteigerungen s. Auktio-
natoren, Auktionen.
Berstümmelungszulagen (s. wegen des Be-
griffs Mannschaftsversorgungsge-
setz Ib und Offizierspensionsgesetz
IVb)sind von jeder Art von Besteuerunz befreit,
unterliegen auch nicht der Pfändung und bleiben
bei der Ermittlung, ob und zu welchem Be-
trage ein Einkommen der Pfändung unterliegt,
außer Ansatz (G. vom 31. Mai 1906 — RGl.
565 — § 37; G. vom 31. Mai 1906 — RGBl.
593 — § 40). Die den Untermilitärs gewährte
V. ist kein Bezug im Sinne des § 48 Abs. 1 Ziff. 2
Inv VG. vom 13. Juli 1899 (Rl. 463), hat also
auf ein etwaiges Ruhen der Rente bei gewissen
Kategorien Versicherungspflichtiger keinen Ein-
fluß (G. vom 31. Mai 1906— RGBl. 593 — 9 13).
Bersuchs= und Prüfungsanstalt für Wasser-
versorgung und Abwässerbeseitigung in Berlin
s. Abwässer IV.
Bersuchsstationen (landwirtschaftliche) s.
Landwirtschaftliche Versuchssta-n
tionen.
Bertagung. Nach Art. 52 der preuß. Ver-
fasung kann der König das Abgeordnetenhaus,
nach Art. 12 RV. der Kaiser den Reichstag
vertagen. Die V. darf die Frist von 30 Tagen
ohne Zustimmung des AbgH. bzw. des NT.
(BVu. Art. 52; RV. Art. 26) nicht übersteigen
und in derselben Session nicht wiederholt werden.
Die V. hat die Wirkung, daß die Geschäfte der
Häuser in demjenigen Stande wieder auf-
genommen werden, in welchem sie sich bei Be-
ginn der V. befanden, während bei einer Schlie-
ßung eine völlig neue Konstituierung erfolgen
muß und die angefangenen Geschäfte unerledigt
bleiben. Die Frage, ob eine derartige Kontinuität
der Geschäfte auch bei einer V. des Herrenhauses
eemäß Art. 77 Abs. 3 Bl. im Falle der Auf-
ösung des AbgH. eintritt, ist Gegenstand der
Meinungsverschiedenheit zwischen dem Herren-
hause und der Staatsregierung auf der einen
und dem Abg H. auf der andern Seite gewesen.
Die Frage ist in Übereinstimmung mit der Mehr-
zahl der Rechtslehrer zu verneinen. Die Im-
munität der Abgecordneten wird durch die V. nicht
aufgehoben (KG. vom 10. Juni 1907 — D83.
12, 1262). Wegen V. des BR. s. Bundesrat.
Berteilung des gemeindestenerpflichtigen Ein-
kommens auf eine Mehrzahl von Gemeinden
s. Einkommensverteilung.
Berteilungsmaßstab für die Gemeindestenern
f. Kommunalabgabengesetz; für die
Kreisabgaben s. d.; für Kirchenstenern s. II
u
Bertilgung schädlicher Tiere s. Jagd-
polizei; Schädliche Tiere und
flanzen; Schußgeld.
Berträge s. Handelsverträge; Staats-
verträge.
Bertragsbruch s. Kontraktbruch.
Bertragsstempel. Alle Verträge vermögens-
rechtlichen Inhalts sind stempelpflichtig, Ver-
träge familienrechtlichen Inhalts nur dann,