880
werbe ausgenommen, die nach GewO. § 35
untersagt werden können (s. Untersagung
von Gewerbebetrieben). Personen,
die das Gewerbe der V. beginnen, haben der
Ortspolizeibehörde bei Eröffnung des Betriebes
eine besondere Anzeige zu erstatten (Gew.
§ 35 Abs. 6). Wegen Überwachung des Be-
triebes s. Auss Anw. z. GewO. vom 1. Mai
1904 Ziff. 60 (HMBl. 123).
Biehzählungen s. Landwirtschaftliche
und Grundeigentumsstatistik 11.
Biehzucht. Die Förderung der V. ist Auf-
gabe der landwirtschaftlichen Verwaltung. Sie
erfolgt in negativer Richtung durch den Aus-
schluß ungeeigneter Vatertiere von der Paarung
(s. Körordnungen), positiv durch Über-
weisung von Subventionen aus den beim Mf 'L.
bestehenden Dispositionssonds zur Förderung
der V. und des Molkereiwesens und der Ge-
flügelzucht, sowie aus den im Extraordinarium
des Staatshaushaltsetats ausgebrachten Ver-
stärkungsfonds zur Förderung der Land= und
Forstwirtschaft in den östlichen und den west-
lichen Provinzen. Für ihre Verwendung werden
utachtliche Außerungen des Landesökonomie-
ollegiums zugrunde gelegt. Die Verwaltung
erfolgt zum größeren Teile durch die Landwirt-
schaftskammern oder doch unter deren tätiger
Mitwirkung. Die Höhe der den einzelnen Pro-
vinzen zufließenden Unterstützungen werden in
den Ergänzungsbänden zu Thiels landw. Jahrb.,
als „Statistische Nachweisungen aus dem Ge-
biete der landwirtschaftlichen Verwaltung in
Preußen“ veröffentlicht. In einer Anzahl Pro-
vinzen ist den Gemeinden in den Landdkreisen
die Verpflichtung zur Bullenhal-
tung gesetzlich auferlegt; in der Rheinprovinz
durch G. vom 27. Juni 1890 (GS. 217), in Hessen-
Nassau und Schlesien durch G. vom 19. Aug.
1897 (GS. 393), in Sachsen durch G. vom
7. Juni 1899 (GS. 115), in Hannover und
Westfalen durch die G. vom 25. Juli 1900
(GS. S. 305 bzw. 320). Hiernach sind Gemein-
den in Landkreisen, in denen die Anzahl der zum
Decken gehaltenen Bullen eine ungenügende ist,
verpflichtet, eine dem Bedarf entsprechende
Anzahl von Bullen anzuschaffen und zu unter-
bhalten. Die Zahl ist als eine ungenügende
anzusehen, wenn nicht auf jedes volle oder an-
gefangene Hundert Kühe und deckfähige Rinder
mindestens ein Bulle vorhanden ist. Die Ent-
scheidung, ob die Notwendigkeit der Gemeinde-
bullenhaltung im Sinne des Gesetzes vorliegt,
hat der Kr A., in der Rheinprovinz die Kommunal-
aussichtsbehörde, hier mit der Einschränkung,
daß der Kr A. einzelne Gemeinden von den Vor-
schriften des Bullenhaltungsgesetzes ganz oder
teilweise entbinden kann, wenn wegen besonderer
wirtschaftlicher Verhältnisse ein Bedürfnis zur
Anwendung des Gesetzes nicht vorliegt. Der
Kr A. kann die Zusammenlegung mehrerer Ge-
meinden zu einem Bullenhaltungsverbande ge-
nehmigen; er kann solches anordnen, wenn
eine oder mehrere Gemeinden für sich außer-
stande sind, den gesetzlichen Vorschriften zu
entsprechen. — Gegen die Entscheidung des
KrA. ist die Beschwerde an den Provinzialrat
zulässig. — Für Stadtkreise kann aus Antrag
beteiligter Vichbesitzer durch die Kommunal-
Viehzählungen — Vikar
aussichtsbehörde angeordnet werden, daß auch
hier die Bestimmungen dieses Gesetzes ange-
wendet werden. An die Stelle des KrA. tritt
dann der BezA. — Die Unterhaltung der Ge-
meindebullen darf nicht an den Mindestfordern-
den im öffentlichen Aufgebot vergeben werden.
Auch ist das sog. Reihumhalten dieser Bullen
unzulässig. Für die Aufbringung der Kosten
der Bullenhaltung sind die Bestimmungen über
die Aufbringung der Gemeindelasten bzw. so-
weit es sich um Bullenhaltungsverbände handelt,
die Lasten der Zweckverbände (s. d.) maßgebend.
Für das Gebiet des rhein. Bullenhaltungsgesetzes
ist vorgeschrieben, daß die Kosten nach Beschluß
der Gemeindevertretung entweder als allge-
meine Gemeindelasten zu behandeln oder ganz
oder teilweise durch zu erhebende Sprunggelder
oder durch eine besondere auf die Viehbesitzer
nach Maßgabe ihres Bestandes an Kühen und
deckfähigen Rindern zu verteilende neue Steuer
aufzubringen sind. Von einer solchen Steuer
sind diejenigen Viehbesitzer befreit, deren eigene
Bullenhaltung für ihren Bestand genügt. Be-
schließt die Gemeindeversammlung weder in
dem einen noch in dem anderen Sinne, so
sind die Kosten der Gemeindebullenhaltung als
allgemeine Gemeindelasten aufzubringen (G.
vom 27. Juni 1890 § 3). Nach dem Vorbilde
der Bullenhaltungsgesetze ist in den Landkreisen
der Prov. Hessen -- Nassau den Gemein-
den ebenfalls die Verpflichtung zur Beschaffung
und Unterhaltung von Ziegen böcken durch
G. vom 12. Juni 1909 (GöS. 675) auferlegt.
Die Bestimmungen des Gesetzes entsprechen im
allgemeinen denen des Bullenhaltungsgesetzes
für diese Provinz. In der Regel ist für je 80
deckfähige Ziegen ein Bock zu halten. Wenn die
Zahl der deckfähigen Ziegen einer Gemeinde
weniger wie 30 beträgt, kann der Gemeinde
die Verpflichtung zur Haltung des Bockes nicht
auferlegt werden. Indessen kann durch Be-
schluß des Kr A. die Bildung von Bockhaltungs-
verbänden benachbarter Gemeinden augeordnet
werden. Bei der Berechnung der erforderlichen
Anzahl von Böcken kommen nur solche Böcke
in Betracht, die auf Grund einer vom Regie-
rungspräsidenten nach Maßgabe der 88§ 137, 139
und 140 des LVG. vom 30. Juli 1883 erlasse-
nen Körordnung angekört sind.
Bikar ist die Bezeichnung für die dem Pfarrer
beigeordneten Hilfsgeistlichen, " farrvikare,
Pfarrgehilfen (s. Pfarrer, sowie
Hilfsgeistlichenfonds und wegen
ihrer Stellung im Gemeindekirchenrat § 4
Abs. 2 KGSO. vom 10. Sept. 1873); ferner
für die im Falle der Erledigung einer Pfarr-
stelle bzw. bei Behinderung des Pfarrers mit
der Verwaltung der Pfarrstelle beauftragten
Geistlichen, Pfarrverweser (pgl. hierzu auch
§ 56 des Kirchl. DisziplG. vom 16. Juli 1886 —
KG# Bl. 81). Auch die ein eigenes Benefizium
innerhalb eines kath. Pfarrbezirks innehabenden
Geistlichen werden stellenweise V. genannt (ogl.
hierzu Hirschius, KR. 2, 321 ff.). In der
ev. Kirche besteht an einzelnen Stellen die Ein-
richtung der sog. Kreisvikare, d. h. von
Geistlichen, welche, ohne eine Pfarrstelle zu be-
sitzen, nach Bedürfnis zur Aushilfe bei der
pfarramtlichen Tätigkeit innerhalb der ganzen