Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Vollstreckbarkeit — Vollstreckung 
in denen mehrere nicht in einer Erb= oder son- 
stigen Rechtsgemeinschaft stehende Personen 
einen Bevollmächtigten bestellen, ist der Voll- 
machtstempel so oft zu verwenden, als Voll- 
machtgeber vorhanden sind. SofernT der Wert 
des Gegenstandes einer V. 150 A nicht über- 
steigt, tritt die Stempelfreiheit aus § 4 Abs. 1 a 
LSt G. entgegen dem allgemeinen Grundsatz 
des § 3 Abs. 1 a. a. O. („die Stempelpflichtig- 
keit einer Urkunde richtet sich nach ihrem Inhalt“) 
auch dann ein, wenn aus dem Inhalt der V. 
über den Wert des Gegenstandes nichts hervor- 
geht, sofern nur nachgewiesen wird, daß der- 
selbe 150 K nicht übersteigt (§ 4 Abs. 2 a. a. O.). 
Stempelfrei sind ferner zufolge besonderer 
reichsgesetzlicher Vorschrift V. zur Erklärung 
der Auflassung vor dem Grundbuchamt, sofern 
das der Auflassung zugrunde liegende Rechts- 
geschäft von einem Notar beurkundet und die 
V. in dieser Urkunde erteilt ist (GBO. 8 31). 
Bollstreckbarkeit. I. Die V. ist ein ganz 
allgemeiner Begriff und kommt nicht bloß ge- 
richtlichen Urteilen, sondern allen Anordnungen. 
und Entschcidungen der Behörden zu, wenn sie 
einen vollstreckbaren Inhalt haben. Rechts- 
kräftige Entscheidungen sind insoweit stets voll- 
streckbar. Es gibt aber auch eine vorläufige V. 
noch nicht rechtskräftiger Entscheidungen in der 
Weise, daß deren Aufhebung und damit auch 
die der Vollstreckung möglich bleibt. Zivil- 
prozessuale Urteile sind vielfach vorläufig voll- 
streckbar, jedoch stets nur, wenn sie ausdrücklich 
dafür erklärt worden sind. Letzteres hat ent- 
weder von Amts wegen, z. B. bei Urteilen, 
welche auf Grund eines Anerkenntnisses eine 
Verurteilung aussprechen, im Urkunden= oder 
Wechselprozeß erlassen werden oder laufende 
Alimente zum Gegenstande haben (ZPO. 708), 
oder auf Antrag, z. B. bei Urteilen, welche ver- 
mögensrechtliche Ansprüche nicht über 300 4 
betreffen (§ 709), zu geschehen und geschieht 
teils unbedingt, teils bedingt (§ 713). Der 
vorläufigen V. verwandt ist die antizipierte 
Vollstreckung in der Gestalt von Arresten und 
einstweiligen Verfügungen (ZPO. 88§ 916 
bis 945). 
II. Wie dem Strafprozeß ist auch dem Ver- 
waltungsstreitverfahren nach dem 
LVG. eine vorläufige V. gerichtlicher Entschei- 
dungen grundsätzlich unbekannt. Die Vollstreckung 
der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen ist 
vielmehr immer erst nach dem Eintritte der 
Rechtskraft möglich. Nur ganz ausnahmsweise 
gibt es eine vorläufige V. einer verwaltungsge- 
richtlichen Entscheidung, und zwar ist diese im 
Gesetze selbst ausgesprochen und daher ohne Er- 
klärung im Urteile wirksam (z. B. ZG. 8 101 
Satz 2; UW-. 8§ 53 Abs. 1; Jagdordnung vom 
15. Juli 1907 — GS. 207 — §59 Abs. 2). Die 
antizipierte Vollstreckung ist unserem Verwal- 
tungsstreitverfahren unbekannt. Etwas Ahnliches 
ist nur, daß ausnahmsweise, wie von den Be- 
schlußbehörden (z. B. B8G. 8§ 9 Abs. 2, 26 Abs. 2, 
67 Abs. 3 Satz 2; LGO. vom 3. Juli 1891 § 4 
Abs. 2; Jagdordnung vom 15. Juli 1907 § 24 
Abs. 4; Quellenschutzgesetz vom 14. Mai 1908 
— GS. 105 — 8§8 10, 18) Beschlüsse gefaßt 
werden dürfen, bei denen es bis zur rechts- 
kräftigen Entscheidung im Verwaltungsstreitver- 
  
  
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fahren sein Bewenden behält, so auch von den 
Verwaltungsgerichten (z. B. 8. 88 126 Abf. 2, 
142 Abs. 2) Entscheidungen getroffen werden 
können, bei denen es bis zum Erlasse des End- 
urteils verbleibt. Allgemein ist im § 53 LV. 
bestimmt, daß Verfügungen, wozu auch wege- 
polizeiliche gehören (Z3G. § 55 Satz 3; O#G. 
37, 232), Bescheide und Beschlüsse, auch wenn 
sie mit der Beschwerde, welcher der Rekurs 
nach der Gew O. gleichsteht (RG. in JW. 1906, 38), 
oder mit der Klage bzw. dem Antrag auf münd- 
liche Verhandlung im Verwaltungsstreitver- 
fahren anfechtbar und ange fochten sind, zur 
Ausführung gebracht werden dürfen, sofern sie 
nach dem Ermessen der Behörde ohne Nachteil 
für das Gemeinwesen — also nicht bei einem bloß 
fiskalischen Interesse — nicht ausgesetzt bleiben 
können. Nur die Vollstreckung ciner Haftstrafe 
bleibt stets ausgesetzt (LVG. § 133 Abs. 3). 
Gegen eine solche Ausführung ist die Klage 
im Verwaltungsstreitverfahren nicht gegeben. 
Bis zur Einlegung der Beschwerde können 
polizeiliche Verfügungen stets und unter allen 
Umständen zur Ausführung gebracht und müssen 
polizeiliche Vorschriften, die an eine unter 
Sittenkontrolle stehende weibliche Person zur 
Sicherung der Gesundheit usw. erlassen sind, be- 
folgt werden (KG J. 32 C 71). Vielfach sind in- 
dessen durch besondere Bestimmungen auch Ver- 
fügungen usw. ohne jene Beschränkung für sofort 
ausführbar erklärt trotz der Zulässigkeit von Rechts- 
behelfen gegen sic, z. B. Kreis= und Provinzial- 
abgabengesetz vom 23. April 1906 (GES. 159) 
§§ 11 Abs. 5 und 28 Abs. 5. S. Rechts- 
kraft und Vollstreckung. 
Bollstreckung. I. Die Entscheidungen der 
Behörden bedürfen, soweit sie nicht nach ihrem 
Inhalte lediglich von rechtsgestaltender Art sind 
oder bloße Feststellungen enthalten, gegenüber 
den Beteiligten, welche ihnen nicht freiwillig 
nachkommen, der V. (Exekution). Diese kommt 
in sehr verschiedener Weise vor. Hauptarten 
sind die Strafvollstreckung (s. Strafen), die 
Zwangsvollstrechung nach der ZPO. und die 
nach dem G. vom 24. März 1897/20. Mai 1898 
(Rl. 1898, 713) (s. Zwangsversteige- 
rung und Zwangsverwaltung t, die 
zwangsweise Vollziehung der gerichtlichen An- 
ordnungen in den Angelegenheiten der frei- 
willigen Gerichtsbarkeit (FGG. § 33; PrFG. 
Art. 15—17), die der V. nach der ZPO. sehr 
nahe stehende V. im Verwaltungszwangsver- 
fahren (s. d.), die von Anordnungen der Ver- 
waltungsbehörden (s. 8wangsmittel III) 
und die der im Verwaltungsstreit= und im 
Beschlußverfahren ergangenen Entscheidungen. 
Die V. setzt stets die Vollstreckbarkeit der Ent- 
scheidung voraus, die nicht mit der Rechtskraft 
zusammenfällt (s. Vollstreckbarkeit und 
Rechtskraft). Das Strafgesetz schützt die 
V. in dreifacher Weise, indem es im § 113 den 
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bestraft 
(Ks. Widerstand gegen die Staats- 
gewalt), im § 137 denjenigen, der Sachen, 
welche durch die zuständigen Behörden oder 
Beamten (Gerichtsvollzieher, Vollziehungsbeamte 
usw.) ordnungsmäßig, d. h. den einschlagenden 
Vorschriften entsprechend, gepfändet oder in 
Beschlag genommen worden sind, vorsätzlich,
	        
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