Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

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Steuer von dem Mehrwert eines Nachlasses 
gegenüber dem vom Erölasser seinerseits ererbten 
Vermögen. Die W. vom Grundbesitz war bisher 
in Deutschland — außer in Lippe und in Ko- 
lonien — auch nur als Kommunal= bzw. Stadt- 
staatssteuer (Hamburg, Lübeck) zur Anwendung ge- 
langt und auch nur als indirekte Steuer, als Besitz- 
wechselabgabe. Nachdem indes durch § 90 des 
RStempG. vom 15. Juli 1909 (R Bl. 833) be- 
stimmt war, daß bis zum 1. April 1911 ein Gesetz, 
wegen Einführung einer Reichszuwachssteuer bei 
Grundstücken dem RI. vorzulegen sei, ist dies im 
April 1910 geschehen und das Gesetz nach langen 
Verhandlungen in sich von der Regierungsvorlage 
sehr weit entfernender Gestalt vom Reichstage 
angenommen worden. Mit Datum vom 14. Fe- 
bruar 1911 publiziert (Rö#l. 33), ist es am 
1. April 1911 in Kraft getreten, jedoch rückwirkend 
bis zum 1. Januar 1911, mit welch letzterem 
Zeitpunkt auch die kommunalen Steucrordnungen 
anßer Kraft getreten sind (vgl. unter III). 
führungsbestimmungen sind vom Bundeerat 
unterm 27. März 1911 erlassen (ZB1. 79); 
außerdem läßt das Reichsschatzamt „Amtliche 
Mitteilungen“ über die Znwachssteuer erschei- 
nen. Der Entwurf eines preuß. Ausführungs- 
gesetzes liegt zurzeit dem Lundtag vor. 
II. Die W. beim Grundbesitz als 
Kommunalsteuer in Preußen. In 
dieser Anwendung war die W. im Laufe der letz- 
ten Jahre von zahlreichen Gemeinden, nach In- 
krafttreten des Kreis= und Provinzialabgaben- 
gesetzes vom 23. April 1906 (s. Kreisabga- 
ben) auch schon vereinzelt von Kreisen in ihr 
Steuersystem ausgenommen worden, und zwar 
verdankte sie ihre Einführung lediglich der eigenen 
Initiative der Gemeinden und Kreise, ohne daß 
regierungsseitig ihnen eine Mustersteuerordnung 
an die Hand gegeben war. Erst durch Erl. vom 
18. Mai 1909 (MBl. 118) hatten der FN. und 
Md J. eine Reihe von Gesichtspunkten aufgestellt, 
die sie beobachtet wissen wollten. Der W., wie 
sie sich in Preußen gestaltet hatte, liegt nicht der 
Gedanke der mühelosen Bereicherung einer Per- 
son zugrunde, sondern sie geht von dem Ge- 
danken aus, daß der bebaute und unbebaute 
Grundbesitz ohne Zutun des Eigentümers ledig- 
lich schon durch die Entwicklung und Veranstal- 
tungen der Gemeinde im Werte steigt, und daß 
es dem Grundsatze der Besteuerung nach den 
Vorteilen aus den Gemeindeveranstaltungen, wie 
er dem Kommunalabgabengesesz (s. d.) und auch, 
wenn schon nicht in gleich vorberrschendem Maße, 
dem Kreisabgabenwesen (s. Kreisabgaben) zu- 
grunde liegt, entspricht, diesen unverdienten Wert- 
Gesamtwert anzusprechen ist, 
Wertzuwachssteuer 
meinwesens gewissermaßen „zugewachsen“ ist, 
der also recht eigentlich eine „Leistung“ des letz- 
teren darstellt, von dem einen Teil als Gegen- 
leistung zu beanspruchen dem Interesseprinzip 
der Besteuerung entspricht (vgl. OV G. 55 S. 104 
und 116). Daneben besitzt die W. die meisten 
der Vorzüge der kommunalen Umsatzsteuern (s. 
Umsatzsteuer) und ergänzt letztere insofern, 
als sie den merkantilisierten Grundbesitz nach der 
durch den Grad der Merkantilisierung bedingten 
Wertsteigerung trifft, denjenigen Wertteil vor- 
belastet, der, weil er eben Mehrwert ist, als 
liquider und steuerlich tragfähiger wie der 
diejenigen Um- 
sätze aber verschont, bei denen ein höherer 
als der Selbstkostenwert nicht erzielt ist. Zum 
Ersatz der Umsatzsteuer hat die W. in Preußen 
fast nirgends gedient, sondern nur zu ihrer 
Ergänzung, und das mit Recht, ebenso wie die 
  
Aus- 
W., selbst als direkte Steuer gestaltet, die Ge- 
meindegrundsteuer nicht ersetzen kann. Dazu 
schwankt sie viel zu stark in ihren Erträgen; denn 
es liegt auf der Hand, daß kaum eine Bemessungs- 
grundlage einer Steuer durch die Wirtschaftslage 
so in Mitleidenschaft gezogen wird, wie die Wert- 
steigerung des Grundbesitzes, namentlich des zur 
Ware gewordenen Baugeländes und Hausbesitzes., 
Endlich ist das Gemeinwesen, auch wenn seine 
Tätigkeit nicht wertsteigernd, sondern nur wert- 
erhaltend auf den Grundbesitz wirkt, ein steuer- 
liches Aquivalent hierfür zu fordern berechtigt, 
das sie natürlich durch eine W. nicht erhalten kann. 
Auch verursacht die Verwaltung der W. allein 
nahezu ebensoviel Arbeit und Kosten, wie die- 
jenige einer Umsatzsteuer oder Grundsteuer mit 
der W. zusammen. Endlich ist das geeignete An- 
wendungsgebiet der W. enger, wie das der Um- 
satztener und gar der Grundwertsteuer; denn 
nicht nur unter gleichen Verhältnissen wie letztere 
ist sie nicht am Platze, sondern auch dort nicht, 
wo eine raschere oder erheblichere Steigerung der 
Grundstückswerte noch nicht eingesetzt hat oder 
der Grundbesitz noch überwiegend landwirtschaft- 
lichen Charakter trägt, sein Wert daher wesent- 
lich von der Bewirtschaftung beeinflußt wird, also 
in der Mehrzahl der Landgemeinden und, soll die 
W. nicht dazu führen, die Kreisabgaben mehr als 
mit dem Charakter der Kreisaufgaben verträglich 
ist, von dem platten Lande auf die kreisangehorigen 
Städte abzuwälzen, in den meisten Landkreisen. 
III. Die Reichszuwachssteuer nach 
dem G. vom 14. Febr. 1911 (Aues Anw. des 
BR. vom 27. März 1911 — 53Bl. 79; Muster 
  
für die Zuwachssteuererklärung, R#Bek. vom 
12. Mai 1911 — 3Z Bl. 199). So klar wie in 
zuwachs des einzelnen Grundstücks einer besonde= der Gemeinde und dem Kreise ist die Aufgabe 
ren Gemeindesteuer zu unterwerfon. Die W. be- 
der W. im Reiche nicht. Bei den Verhand- 
deutet in dieser Beziehung eine Verfeinerung der lungen über die Reichsfinanzreform im Jahre 
Grundsteuer nach dem gemeinen Wert und der 1909 war sie gedacht als teilweiser Ersatz für die 
Umsatzsteuer beim Besitzwechsel von Grundstücken," abgelehnte Erbanfallsteuer, d. h. 
sie sollte mit 
indem sie nicht den Gesamtwert erfaßt, sondern den neuen Reichsstempclabgaben (Grundstücks- 
nur denjenigen Teil des Wertes zu erfassen sucht, stempel, Talonsteuer usw.) die der Erdanfallsteuer 
der dem Grundstück nicht schon bei dem früheren zugedachte Besitzsteuerfunktion übernehmen, durch 
Besitzwechsel innewohnte, und der ihm auch nicht 
durch Aufwendungen des Eigentümers hinzu- 
gefügt,. sondern, wie präsumiert wird — was 
natürlich, wic jede Präsumtion, nicht immer zu- 
  
  
Belastung der Besitzenden einen Ausgleich für die 
nicht ganz zu beseitigende, verhältnismaßig höhere 
Belastung der ärmeren Klassen durch die Ver- 
brauchs steuern herstellen. Sie sollte also die 
trefsen kann —, im wesentlichen durch die Tätig= Aufgaben einer Steuer nach der Leistungsfähig= 
keit und Entwicklung des steuerberechtigten Ge- 
keit erfüllen, obwohfl aus einem einzelnen wirt-
	        
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