Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 
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Die Gründe einer Wiederaufnahme sind teils der Verweisung vor das Plenum ein „nicht vor- 
für den Staatsanwalt und den Angeklagten die-- 
selben, teils verschieden, wobei aber, weil der! 
Schaden einer ungerechtfertigten Freisprechung des Vorprozesses außer 
für die Allgemeinheit weit geringer ist als der Wiederaufnahmeklage angestellt hat. 
schriftsmäßig besetztes Gericht“ nicht anzunehmen 
ist, OV.G. 15, 456. Beklagte sind die Parteien 
derienigen, welche die 
Für die 
einer ungerechtfertigten Verurteilung für den Kosten bildet das Wiederaufnahmeverfahren eine 
hiervon Betroffenen, die Gründe zugunsten des 
Verurteilten zahlreicher sind als die zu seinen 
Ungunsten, andererseits, wie im Zivilprozesse, 
wenn eine strafbare Handlung den Grund bildet, 
die Wiederaufnahme nur zulässig ist, wenn wegen 
dieser Handlung eine rechtskräftige Verurteilung 
ergangen ist oder die Einleitung oder Durch- 
führung eines Strafverfahrens aus anderen 
Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht er- 
folgen kann. Die Wiederaufnahme wird in An- 
spruch genommen durch einen Antrag bei dem 
Gericht, dessen Urteil über die Schuldfrage durch 
ihn angefochten wird. Zugunsten des Verurteil- 
ten wird der Antrag weder durch die erfolgte 
Strafvollstreckung noch durch den Tod des Ver- 
urteilten ausgeschlossen. Im letzteren Falle sind 
der Ehegatte, die Verwandten auf= und ab- 
steigender Linie, sowie die Geschwister des Ver- 
storbenen zu dem Antrage befugt. Dieser muß 
die für die Revisionsschrift vorgeschriebene Form 
haben und die geltend zu machenden Gründe so- 
wie die Beweismittel angeben. Die allgemeinen 
Bestimmungen über Rechtsmittel finden auch bei 
ihm Anwendung. Ulber seine Zulässigkeit wird 
ohne mündliche Verhandlung entschieden. Ist der 
Antrag für zulässig befunden worden, so wird er 
nach vorläufiger Beweisaufnahme entweder ohne 
mündliche Verhandlung als unbegründet verwor- 
fen oder die W. d. V. und die Erneuerung der 
Hauptverhandlung verordnet; letztere fällt jedoch 
natürlich sort, wenn der Verurteilte verstorben 
ist, und kann auch noch in anderen Fällen unter 
gewissen Voraussetzungen unterbleiben. Kommt 
es zu einer erneuten Hauptverhandlung, so muß 
das auf sie ergehende Urteil entweder das srühere 
aufrechterhalten oder unter dessen Aufhebung 
anderweit in der Sache erkennen. Es darf aber, 
wenn die Wiederaufnahme nur zugunsten des 
Verurteilten beantragt worden war, das neue 
Urteil eine härtere Strafe als die in dem früheren 
erkannte nicht verhängen. Das Verbot einer 
reformatio in pejus gilt also hier ebenfalls. Ahn- 
lich ist die W. d. V. im militärgerichtlichen Straf- 
verfahren geordnet (MStGO. vom 1. Dez. 1898 
— N#l. 1189 — §§ 436—449). Wegen Ent- 
schädigung der im Wiederaufnahmeverfahren 
Freigesprochenen s. Entschädigung für 
Strafe und Untersuchungshaft. 
IV. Während es im Verfahren der frei- 
willigen Gerichtsbarkeit nach dessen 
Wesen kein Wiederaufnahmeverfahren geben kann 
und das Gleiche auch für das gewöhnliche Ver- 
waltungsverfahren und das Beschlußverfahren 
gilt, findet nach § 100 LVG. gegen die im 
Verwaltungsstreitverfahren er- 
gangenen, rechtskräftig gewordenen Endurteile 
die Klage auf W. d. V. unter denselben Voraus- 
setzungen, in demselben Umfang und innerhalb 
derselben Fristen statt, wie nach den bürgerlichen 
Prozeßgesetzen, also nach den 88 578 ff. 3 PO. 
die Nichtigkeitsklage bzw. die Restitutionsklage. 
Über die Voraussetzung einer neuen Urkunde s. 
O. 42, 447, und darüber, daß bei Unterlassung 
  
neue Instanz. Zuständig ist ausschließlich das 
OV(G. Erachtet dieses die Klage für begründet, 
so hebt es die angefochtene Entscheidung auf, ver- 
weist in ähnlicher Weise wie in einer nicht spruch- 
reisen Revisionssache die Sache zur anderweitigen 
Entscheidung an die dazu nach der Sachlage ge- 
eignete Instanz und verordnet die Wiederholung 
oder Ergänzung des Verfahrens, soweit dasselbe 
von dem Anfechtungsgrunde betroffen wird. Das 
Gericht, an welches die Sache gewiesen wird, hat 
ebenso wie bei der Verweisung auf eine Revision 
  
bei dem weiteren Verfahren und bei der von ihm 
anderweitig zu treffenden Entscheidung die in dem 
Aufhebungsbeschlusse des OV. aufgestellten 
Grundsätze und ferner noch die dem Aufhebungs- 
beschlusse zugrunde gelegten tatsächlichen Fest- 
stellungen als maßgebend zu betrachten (LVG. 
§ 101). Auch der Vorsitzende des Verwaltungs- 
gerichts ist in entsprechender Weise, wie ihm die 
Rechtsmittel zustehen, zur Anstellung der Wieder- 
aufnahmeklage befugt (OV G. 12, 439). Unzu- 
lässig ist die Wiederaufnahmeklage gegen Urteile 
der Bez A. in Armenstreitsachen gemäß § 39 ZG. 
sowie gegen Urteile des BAP. (BAp. 14, 124), 
gegen die nach dem Disziplinargesetz für nicht 
richterliche Beamte ergangenen Urteile — anders 
gegen die nach dem Disziplinargesetze für die 
richterlichen Beamten (G. vom 7. Mai 1851, GS. 
218, 3§ 43) — und gegen Urteile in Konflikts- 
sachen (O# G. 25, 420), Kompetenzkonflikts= und 
Patentsachen, sowie gegen die Entsch, des OV# G. 
in Gewerbesteuer= und Einkommensteuerangele- 
genheiten (O#GSt. 8, 353; 11, 354). Wegen 
der W. d. V. auf dem Gebiete der sozialpolitischen 
Versicherung, soweit nicht dabei die Verwaltungs- 
klage nach dem LVG. stattfindet und deshalb 
dessen § 100 zur Anwendung kommt, f. § 119 
Inv VW., § 84 GUG., § 37 Abs. 1 Bu G., 8 190 
LU W. und §§ 88, 152 SUuVG. sowie § 26 der 
V., betr. den Geschäftsgang und das Verfahren 
des RV., vom 19. Okt. 1900 (REBl. 983); vgl. 
dazu z. V. Arb Versorg. 26, 681. Über die W. 
d. V. im ehrengerichtlichen Verfahren gegen 
Rechtsanwälte s. Syring in JW. 36, 658. 
V. Nach dem G. vom 22. März 1902, betr. 
Anderung der Vorschriften über die Kompetenz- 
konflikte zwischen den Gerichten und den Verwal- 
tungsbehörden (GS. 145), Art. 3 gibt es eine 
W. d. V. eines Verwaltungsgerichts durch bloße 
Verfügung. Hat nämlich ein Verwaltungsgericht 
sich endgültig für unzuständig erklärt, weil es 
den Rechtsweg für zulässig erachtet hat, und 
spricht später das Reichsgericht die Unzulässigkeit 
des Rechtswegs aus, so hat auf Antrag einer bei 
der Sache beteiligten Partei diejenige verwal- 
tungsgerichtliche Instanz, von welcher die Un- 
zuständigkeit endgültig ausgesprochen war, die 
frühere Entscheidung aufzuheben und anderwei- 
tige Entscheidung zu treffen oder die Sache zu 
dem Zwecke an eine Vorinstanz zurückzuverweisen. 
Woermann,, Wiederauf nahmeverfahren. 
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. 
. lgemeines. Das römische und das
	        
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