Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Wochenmärkte — Wohltätigkeitsanstalten 
zirke, für die es angesammelt ist, zur Deckung 
der Belastung mit Ausgaben für das Witwen- 
und Waisengeld (AusfAnw. vom 20. Febr. 1900 
— Ugl. 418). Wegen des Gnaden- 
vierteljahrs s. Gnadenviertel- 
jahr; Pensionierung der Lehrer II. 
Wochenmärkte fs. Märkte und Mes- 
sen II3. 
Wochenmarktsartikel. Gegenstände des Wo- 
chenmarktsverkehrs sind nach GewO. 8 66 rohe 
Naturerzeugnisse (s. Selbstgewonnene 
Erzeugnisse) mit Ausschluß des größeren 
Viehs, soweit dies nicht nach Ortsgewohnheit 
oder Bedürfnis als W. anzusehen ist (RG#. 
4, 227; 15, 218), Fabrikate — auch solche aus- 
ländischen Ursprungs, z. B. Reis (K GI. 14, 284) 
— deren Erzeugung mit der Land= und Forst- 
wirtschaft, dem Garten= und Obstbau oder der 
Fischerei in unmittelbarer Verbindung steht — 
Fabrikate, die aus dem durch die Land= und 
Forstwirtschaft gewonnenen Rohmaterial von 
einem bei der Wirtschaft nicht beteiligten Dritten 
verfertigt werden, gehören nicht zu den W. 
(KGJ. 9, 209), dagegen ist es gleichgültig, ob 
der Gewerbetreibende selbst oder seine An- 
gehörigen oder andere Beauftragte die selobst- 
verfertigten Waren, die W. sind, feilbietet (Erl. 
vom 4. Jan. 1908 — Mittd St. 52, 74) — oder zu 
den Nebenbeschäftigungen der Landleute der 
Gegend gehört oder durch Tagelöhnerarbeit be- 
wirkt wird — auch Besen und Reiser gehören 
dazu (Erl. vom 29. Febr. 1884 — Mittd St. 
17, 92) —, mit Ausschluß der geistigen Ge- 
tränke (s. d.), und frische Lebensmittel aller Art. 
Zu diesen gehören z. B. Margarine (s. G. vom 
15. Juni 1897 — RBl. 475 — 8g 1), Kochsalz 
(Erl. vom 29. Febr. 1884 — Mhl. 92), unge- 
räucherte Bierwürste, sowie alle Lebensmittel, 
die nicht zum Zwecke der Konservierung eine be- 
sondere Behandlung, wie Trocknen, Pökeln, Ma- 
rinieren, Räuchern oder nicht behufs alsbaldigen 
Verzehrens eine Zubereitung durch Kochen, 
Braten usw. erfahren haben (K . 13, 3129. 
Auf Antrag des Gemeindevorstands kann der 
BezA. (836. §8 128, 166) bestimmen, welche 
Gegenstände außerdem nach Ortsgewohnheit und 
Bedürfnis in ihrem Bezirk überhaupt oder an 
gewissen Orten zu den W. gehören. Auf Jahr- 
märkten dürfen W. feilgehalten werden (GewdO. 
§ 67). Das Feilbieten von W. im ambulanten 
Gewerbebetriebe (s. d.) darf von einer Erlaubnis 
nicht abhängig gemacht werden (GewO. § 42 b); 
zum Hausierhandel bedarf es eines Wander- 
gewerbescheins (-(Gewerbebetrieb im 
Umherziehen) für denjenigen, welcher in 
der Umgegend seines Wohnortes bis zu 15 km 
feilbietet, nicht, doch kann in beiden Fällen der 
Gewerbebetrieb untersagt werden, wenn die Vor- 
aussetzungen, unter denen der Wandergewerbe- 
schein versagt werden muß, vorliegen (Gew. 
s# 42 b Abs. 3, § 59 a). 
Wohlfahrtspolizei. I. Der Ausdruck W. 
wird in der Sprache der älteren prenuß. Ge- 
setzgebung in anderem Sinne gebraucht, als in 
neueren Gesetzen. Wie man ursprünglich 
unter „Polizei“ die gesamte innere Staatstätig- 
keit verstand, soweit nicht besondere Verwal- 
tungsgebiete (z. B. das der Justiz, der Finanzen, 
des Militärwesens, der kirchlichen Angelegen- 
  
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heiten und des Schulwesens) von ihr abgezweigt 
worden waren, so unterschied man innerhalb 
dieses weitumfassenden Polizeibegriffs die W. 
von der Sicherheitspolizei derart, daß man 
mit letzterer die staatliche Tätigkeit zum Zwecke 
der Fernhaltung und Beseitigung der dem Staate 
und seinen Angehörigen drohenden inneren Ge- 
fahren, mit W. dagegen die staatliche Tätigkeit 
zur Förderung der Wohlfahrt des Volkes in wirt- 
schaftlicher, geistiger und sittlicher Hinsicht be- 
zeichnete. Nachdem dann aber durch das AL#R. 
(II, 10 8§ 17) die Aufgabe der Polizei auf das 
sicherheitspolizeiliche Gebiet beschränkt worden 
war, wurde die früher als W. bezeichnete Tätig- 
keit in der Regel „Wohlfahrtspflege“ genannt. 
Dadurch, daß diese durch die Reg.-Instr. vom 
23. Okt. 1817 (GS. 248) den Landespolizei- 
behörden übertragen worden ist, sind Zweifel 
darüber hervorgerufen, ob der Polizeibegriff auf 
die Sicherheitspolizei in dem erwähnten Sinne 
beschränkt geblieben oder auf die Wohlfahrts- 
pflege ausgedehnt worden ist. Das OG. hat 
in feststehender Rechtsprechung das letztere ver- 
neint (O# G. 9, 370). 
II. In der neueren Gesetzgebung wird 
die W. zwar ebenfalls der Sicherheitspolizei (s. d.) 
gegenübergestellt, beide Ausdrücke werden aber 
in einem anderen Sinne, wie früher, ange- 
wendet. Es geschieht dies namentlich im § 143 
LG., wo von den zum Gebiete der „Sicher- 
heitspolizei“ gehörenden Polizeiverordnungen die 
Rede ist, und im § 6 des Polizeikostengesetzes vom 
20. April 1892 (GS. 87), wo die Überweisung 
der Verwaltung der W. an die Stadtgemeinden 
behandelt wird. Beide Ausdrücke sind hier nicht 
im Sinne des früheren Gegensatzes von Sicher- 
heitsschutz und Wohlfahrtspflege gebraucht, son- 
dern im Sinne eines Gegensatzes zwischen einer 
polizeilichen Tätigkeit, die den Schutz der staat- 
lichen Rechtsordnung gegen widerrechtliche, ins- 
besondere gewaltsame Angriffe bezweckt, und einer 
polizeilichen Tätigkeit, welche die Abwendung 
anderer, den materiellen Interessen der Staats- 
angehörigen drohenden Gefahren zur Aufgabe hat. 
Erstere Tätigkeit wird auch Rechtspolizei, 
letztere Verwaltungspolizei genannt. 
Die Grenzen zwischen diesen beiden Zweigen 
polizeilicher Tätigkeit sind keine sesten, doch werden 
zur W. zu rechnen sein die Armen-, Bau-, Feld--, 
Feuer-, Fischerei-, Forst-, Gesinde-, Gesund- 
heits-, Gewerbe-, Jagd-, Markt-, Schiffahrts-, 
Schul-, Wasser- und Wegepolizei. Zweifelhaft 
ist die Eigenschaft der Sittenpolizei und der 
Verkehrspolizei (Straßenpolizei). Der Sicher- 
heitspolizei verbleiben dann hauptsächlich die 
Straf-, Fremden-, Paß--, Vereins= und Ver- 
sammlungspolizei. 
S. auch Polizei II u. III. 
Veol. besonders: Jebens, Sicherheits= und Wohl- 
fahrtspolizei in den Städten, PrBl. 23, 625. 
Wohltätigkeitsanstalten. Dieser weite Begriff 
umfaßt alle in wohltätiger Absicht (vgl. über 
den Unterschied von der mildtätigen Ab- 
sicht Recht 13, 77) getroffenen Veranstal- 
tungen zur Erleichterung oder Unterstützung der 
Unglücklichen und Armen und die verschieden- 
sten Einrichtungen dafür. Man kann dabei 
unterscheiden solche, welche dem Eintreten von 
Armut und Not vorbeugen, und solche, welche
	        
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