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(GS. 177) können durch Polizeiverordnung der'
Ortspolizeibehörde für die Räumung der Woh-
nungen mohrtägige Näumungsfriften. festgesetzt
werden. S. auch Baupolizei, Woh-
uungsfürsorge.
Wohnungssteuern s. Mietssteuern.
Wohnungsveränderungen s. Meldewesen.
Wohnungsverhältnisse. Zur Verbesse-
rung der W. von Arbeitern, die in staatlichen
Betrieben beschäftigt sind, und von gering be-
soldeten Staatsbeamten sind durch eine größere
Anzahl von Gesetzen (s. Baudarlehne an
Baugenossenschaften) Staatsmittel zur
Verfügung gestellt, um mit denselben an Orten, an
denen die private Bautätigkeit das Bedürfnis
an Kleinwohnungen nicht befriedigt, die Mieten
unverhältnismäßig hoch oder gute Wohnungen
zu angemessenen Preisen nicht zu haben sind, und
aus dem Mietserträgnis eine mäßige Rente,
nämlich etwa 4% des Anlagekapitals, erwartet
werden kann, kleine Mictswohnungen für die
gedachten Arbeiter und Beamten herzustellen
oder Baudarlehne an Baugenossenschaften (s. d.)
zu gleichem Zweck zu geben. Bis zum 1. Okt.
1906 waren auf Grund der erwähnten Gesetze in
staatseigenen Häusern hergestellt, im Bau
oder in Bauvorbereitung begriffen im Bereiche der
Eisenbahnverwaltung 9109 Wohnungen von 2
bis 5 Räumen in 1237 Häusern, im Bereiche der
Bauverwaltung in 45 Häusern 148 Wohnungen
von 2—5 Räumen, im Bereiche der Bergverwal-
tung in 760 Häusern 2802 Wohnungen; im Be-
reiche der inneren Verwaltung sind nur Bau-
darlehne gewährt. Insgesamt waren zu staats-
cigenen Bauten 56 102 344 .K verwendet. Das
Reich hatte nach der Übersicht vom 3. Febr. 1909
(RX Drucks. Nr. 1177 der 12. Legislaturperiode,
1. Session 1907—)09) von den durch die Etats zur
Verbesserung der Wohnungsverhältnisse für Arbei-
ter und gering besoldete Beamte in den Betrieben
und Verwaltungen des Reiches zur Verfügung ge-
stellten 33 Mill. Mark bis zum 1. Jan. 1909
5 474245,62 Kzum Erwerbe von insgesamt
210,6245 ha Baugelände — an 12 Orten —
zwecks Vergebung in Erbbaurecht an Bauge-
nossenschaften sowie zur Herstellung von Straßen-
und Entwässerungsanlagen auf dem erworbenen
Gelände verwandt; von dieser Fläche waren
55,6408 ha bereits zu Erbbaurecht vergeben.
24 620 750 K waren als hypothekarische Dar-
lehne an Baugenossenschaften und andere, gleich-
artige Zwecke verfolgende gemeinnützige Unter-
nehmungen begeben. In den 1619 mit Unter-
stützung des Reiches hergestellten Wohnhäusern
mit 7856 Wohnungen waren von diesen an
gering besoldete Beamte usw. des Reiches ver-
mietet 4181. Vgl. den eingangs erwähnten Artikel.
Wollmärkte s. Spezialmärktec.
Wrackfeuer sind Leuchtfeuer zur Bezeichnung
von Wracks jeder Art (8§ 1 der Grundsätze für die
kenchtseuer usw. an der deutschen Küste vom
1. März 1904; s. Seezeichenwesen. «
Wrakcssdnnahrt
Wucher. I. Im weiteren Sinne wird unter
Wohnungssteuern — Wucher
zieht.
der kath.
Nachdem gegenüber dem Zinsverbote
Kirche der jüngste Reichsabschied von
1654 ausdrücklich Zinsen bis zu 5½0, Partikular=
gesetze sie bis zu 6 00, Kaufleuten und besonders
Pfandleihern auch höhere Zinsen gestattet hatten,
wurde durch das Norddeutsche Bundesgesetz vom
14. Nov. 1867 (B Bl. 159) die Höhe der Zinsen
— nicht auch der Anatozgismus, die Verzinsung
von Zinsen — freigegeben. Bald jedoch wurden
durch die Gesetze, betr. den W., vom 24. Mai
1880 (RBl. 109), und betr. Ergänzung der Be-
stimmungen über den W., vom 19. Juli 1893
(R Bl. 197) wenigstens wieder der wucherischen
Ausbentung durch in das StGB., das bis dahin
keine Strafen gegen den W. androhte, einge-
stellte neue Strafvorschriften und durch zivil-
rechtliche Bestimmungen entgegengewirkt. Jetßt
hat das BGB. (§ 138) den Begriff des W. wen
ausgedehnt. Ohne zwischen Kredit= oder Zins-
wucher, d. i. dem W. in bezug auf Rechtsgeschafie,
wie Darlehen und Stundung, durch welche je-
mandem Geld verschafft oder eine Geldausgabe
erspart werden soll, und zwischen Geschäfts-
oder Sachwucher, d. i. dem Wucher, bei welchem
der Wucherer sich nicht Geld, sondern eine andere
Leistung versprechen oder gewähren läßt, zu
unterscheiden, und indem auch für den letzteren
W. von dem Erfordernisse der Gewerbsmaßtig-
keit abgesehen worden ist, bezeichnet es als
wucherisches Geschäft bereits jedes Rechtsgeschaäft,
bei welchem für einen Beteiligten oder für einen
Dritten ein mit der Gegenleistung in auffalligem
Mißverhältnisse stehender Vermögensvorteil ver-
sprochen wird, und die Notlage, der Leichtsinn
oder die Unerfahrenheit des Versprechenden durch
den anderen Beteiligten ausgebeutet worden ist.
Alle in solcher Weise wucherischen Geschäfte sind
als gegen die guten Sitten verstoßend nichtig,
d. h. sie begründen keinen obligatorischen An-
spruch und sind Grundlage weder für Pfand
oder Bürgschaft noch für irgend eine andere
akzessorische Verpflichtung. Das etwa Ge-
leistete kann gemäß §§ 812, 817, 819 BG B.
zurückgefordert werden.
II. Strafbar ist nach dem St G. ss 302 a
bis 302e in der Fassung des G. vom 1 Juni
1893 die Ausbeutung der Notlage, des Leicht-
sinns oder der Unerfahrenheit (vgl. über diese
Begriffe RoSt. 28, 288; 37, 205) eines anderen
dadurch, daß man sich mit Bezug auf ein Dar-
lehen (vgl. hierzu RuE# St. 27, 190) oder auf die
Stundung einer Geldforderung oder auf ein an-
deres denselben wirtschaftlichen Zwecken dienen-
des zweiseitiges Rechtsgeschäft (Kreditwucher)
oder mit Bezug auf ein Rechtsgeschaft anderer
Art (Sachwucher) Vermögensvorteile versprechen
oder gewähren läßt, welche zur eigenen Lei-
stung in auffälligem Miswverhältnisse stehen. Der
Sachwucher ist aber nur dann strafbar, wenn er
gewerbs= oder gewohnheitsmäßig betrieben wird.
Beim Kreditwucher bildet die Gewerbs= oder Ge-
wohnheitsmältoken einen Strasschärfungsgrund.
gnis besonders hohe
Der Tatbestand des
Gelostrafen angedroht.
W. die Ausbeutung der Notlage anderer bei Kauf strafbaren W. ist hiernach zum Teil enger als der
und Darlehen verstanden, so daß auch von Korn= des wucherischen Geschäfts im Sinne des BG.
wucher gesprochen wird. Im engeren, gewöhn- Pfandleiher und Rücklaufshändler, welche die
lichen Sinne ist W. gleichbedeutend mit Zins-= gesetzlich erforderliche Erlaubnis zu einem gooschen
wucher, der sich auf das Nehmen von Zinsen be- Gewerbebetrieb erhalten haben (R#t. 8, 283),