96 Mädchenschulwesen
mittlung, miteinander zu verkehren. Die an an einer höheren Mädchenschule an den Nachweis
dem Abkommen beteiligten Staaten haben es einer höheren wissenschaftlichen Bildung ge-
ferner übernommen, durch Überwachung des knüpft und dementsprechend ebenfalls unterm
internationalen Verkehrs die Opfer des M. zu 31. Mai 1894 (UZ#Bl. 483) für Lehrerinnen und
ermitteln, nach Möglichkeit für ihre Heimschaf= Schulvorsteherinnen eine „Ordnung der wissen-
fung zu sorgen und dem Treiben der Mädchen= schaftlichen Prüfung der Lehrerinnen“ (Ober-
händler vorbeugend und unterdrückend entgegen- lehrerinnen-Prüfung) erlassen, welche durch den
zutreten. Eine preuß. Zentralpolizeistelle zur Erl. vom 15. Juni 1900 (U BBl. 618) neu ge-
Bekämpfung des internationalen M. war bereits staltet wurde. Dem Bedürfnisse der aus der
durch Erl. vom 15. Juni 1903 bei dem Polizei= höheren Mädchenschule entlassenen jungen Mäd-
präsidium in Berlin errichtet worden. Durchschen nach Ergänzung ihrer Kenntnisse in einzelnen
Erl. vom 3. Mai 1904 ist ihre Tätigkeit nach Zu- Lehrgegenständen und Erweiterung und Ver-
stimmung der Bundesstaaten und der Reichs- tiefung der allgemeinen Bildung sollte durch
lande auf das Reich ausgedehnt worden. Ihre Angliederung wahl freier Kurse an die
Wirksamkeit wird unterstützt durch das in Berlin Schule bis zur Dauer von drei Jahren (Erl. vom
bestehende deutsche Nationalkomitee zur inter= 13. Dez. 1898 — ugBl. 1899, 295) Rechnung
nationalen Bekämpfung des M., welches die getragen werden, in denen vorzugsweise Welt-
Bestrebungen der freien Liebestätigkeit auf diesem geschichte, Geschichte der deutschen Dichtung,
Gebiete vereinigt. Als Zentralpolizeistellen im Kunstgeschichte, fremde Sprachen und Natur-
Auslande sind tätig die Polizeibehörden in wissenschaften betrieben werden sollten. — Die
Amsterdam, Brüssel, Kopenhagen, London, Chri= Erfahrungen, welche bei der Durchführung der
stiania, Wien, St. Petersburg, Stockholm und neuen Ordnungen gemacht wurden, ließen je
Rio de Janeiro, die Polizeiabteilungen in den länger desto mehr erkennen, daß dieselben dem
Md J. zu Paris, Rom und Budapest, die Bundes= Bedürfnisse nicht entsprachen. Die neunklassige
anwaltschaft in Bern, die Junta del Patronato Gliederung der höheren Mädchenschule erwies
Real para la repression de la trata de blancas sich nicht als ausreichend; der zehnklassigen
in Madrid und der Commissioner of Immigra-! Schule wurde der entschiedene Vorzug gegeben,
tion in Washington. wie die Zunahme derselben (im Jahre 1901 54,
Veragleichende Darstellung des deutschen und ausländi- im Jahre 1907 132) beweist. Auch die wahl-
schen Strafrechts, Bes. Teil 4, 193 ff. freien Kurse entsprachen nicht den daran ge-
Mädchenschulwesen. I. Entwickelung bis knüpften Erwartungen. Ebenso litt die Aus-
zur Reform des Jahres 1908. Die bildung der Lehrerinnen für die höheren Mädchen-
Mädchenschulen, welche neben den öffentlichen # schulen an Mängeln und schließlich gesellte sich
Volksschulen bestehen, sind in ihrer äußeren und hierzu als weiteres, auf eine Reform hindrängen-
inneren Einrichtung sehr vielgestaltig. Nur zum des wesentliches Moment die immer stärker
Teil aus einem unterrichtlichen Bedürfnis, zu von der modernen Frauenbewegung betonte
einem anderen Teil mehr aus gesellschaftlichen Forderung, durch Erschließung des Universitäts-
Rücksichten hervorgegangen und vielfach von den studiums den Frauen ein weiteres Feld ihrer
Städten, überwiegend aber als Privatunter-= Erwerbstätigkeit zu eröffnen. Alle diese Fragen,
nehmungen errichtet, sind sie auch in ihrem Lehr= bei denen sich die Anschauungen zum Teil schroff
gange den besonderen örtlichen und persönlichen gegenüberstanden, machten das Betreten neuer
Bedürfnissen angepaßt, die zu befriedigen sie ins Wege zur unabweisbaren Notwendigkeit. Das
Leben gerufen sind. — Aus diesen mannigfaltigen Ergebnis der hierüber gepflogenen langwierigen
Formen haben sich allmählich zwei Schulen Beratungen ist in den grundlegenden Bestim-
bestimmter Gattung herausgebildet, von denen mungen des Mdg. über die Neuordnung
die eine Gattung den Mittelschulen (s. d.) des höheren M. vom 18. Aug. 1908 (U. 3Bl.
angehört, die anderce die höheren Mädchen= 692) enthalten.
schulen umfaßt. Diese Scheidung erhielt IlI. Reform von 190 8. Der wesentliche
nach mehreren vergeblichen Anläufen durch den Inhalt der Neuordnung ist folgender. Als Normal-
Erl. vom 31. Mai 1894 (U. 8Bl. 4160) ihre Grund= form für die höhere Mädchenschule wird die
lage. In demselben wurde für die höheren zehnklassige Schule durchgeführt. Auf die
Mädchenschulen, mit welchen sich die nach= höhere Mädchenschule wird der Aufbau eines
stehenden Ausführungen allein beschäftigen, ein Lyzeums mit zwei Frauenschulklassen
neuer Lehrplan gegeben, welcher die Ausbildung von je einjährigem Kursus in Aussicht genommen.
in neun Jahreskursen festsetzte, den obligatorischen Das Lyzeum soll dazu dienen, einerseits eine
Unterricht zweier fremder moderner Sprachen Erweiterung des sprachlichen, literarischen oder
forderte und zugleich für die Zusammensetzung ästhetischen Interessenbereichs der jungen Mäd-
des Lehrkörpers und die Leitung der Schulen, chen zu ermöglichen, hauptsächlich aber eine
ohne in ersterer Beziehung grundsätzlich neue Ergänzung ihrer Bildung in der Richtung der
Anderungen zu treffen, gewisse Normen vor- künftigen Lebensaufgaben einer deutschen Frau,
schrieb. Insbesondere wurde betreffs der Leitung ihre Einführung in den Pflichtenkreis des häus-
bestimmt, daß an jeder öffentlichen höheren lichen wie des weiteren Gemeinschaftslebens,
Mädchenschule, welche nicht unter der Leitung in die Elemente der Kindererziehung und Kinder-
einer Direktorin steht, dem Direktor eine Lehrerin pflege, in Hauswirtschaft, Gesundheitslehre, Wohl-
als Gehilfin beigegeben werden sollte und daß fahrtskunde, sowie in die Gebiete der Barm-
außerdem das Ordinariat wenigstens einer der herzigkeit und Nächstenlicbe herbeizuführen. Zur
drei Oberklassen in die Hand einer Lehrerin zu Erreichung dieses Zweckes soll die Teilnahme an
legen sei. Zugleich wurde die Befähigung zur der Pädagogik und an der Beschäftigung in dem
Anstellung als Direktorin oder als Oberlehrerin in der Regel jedem Lyzeum anzusügenden Kinder-