III. Abschnitt: Die Reichsgesetzgebung. 75
Geht eine Vorlage vom Bundesrate aus, so ist dieselbe nach
Maßgabe der Beschlüsse desselben im Namen des Kaisers (durch den
Reichskanzler) an den Reichstag zu bringen, wo sie durch Mitglieder
des Bundesrates oder durch besondere von letzterem zu ernennende
Kommissarien vertreten werden (Reichs-Verfassung Art. 16). Die dies-
bezügliche Formel lautet:
„Im Namen Sr. Majestät des Kaisers beehrt sich der Unter-
Pichnete. den beiliegenden Entwurf, betreffend . .. wie solcher vom
undesrat beschlossen worden, dem Reichstage zur verfassungsmäßigen
Beschlußnahme vorzulegen. Der Reichskanzler .. Unter der
Adresse: „An den Reichstag“.
Aber auch der Reichstag hat das Recht, innerhalb der Kom-
petenz des Reiches Gesetze aller Art vorzuschlagen (Reichs-Verfassung
Art. 23, Geschäftsordnung des Reichstags § 22). Ist dies der Fall, so hat
der Präsident des Reichstags den betreffenden Beschluß dem Reichs-
kanzler als Vorsitzenden des Bundesrates zu Überweisen, und dieser
ist dann verpflichtet, denselben dem Bundesrat vorzulegen.
III. Das Sanktionierungsrecht.
Das Recht der Sanktion der Reichsgesetze steht dem Bundesrate
allein zu, denn dieser beschließt nach Reichs-Verfassung Art. 7, Ziff. 1
über die vom Reichstage gefaßten Beschlüsse. Die Sanktion, d. h. die
Anordnung der Reichsgesetze (Gesetzesbefehl) erfolgt durch besonderen
Beschluß des Bundesrates, welcher in der Regel dahin lautet:
„den Gesetzesentwurf dem Kaiser zur Ausfertigung und Ver-
kündigung zu unterbreiten.“
Die Eingangsworte der Reichsgesetze:
-Wir ... verordnen nach erfolgter Zustimmung des Bundes-
, rats und des Reichstags was folgt“
sind daher nicht ganz richtig gewählt.
IV. Die Ausfertigung und Verkündigung der Reichsgesetze.
Die Ausfertigung (Unterzeichnung) und Verkündigung der Reichs-
gesetze steht dem Kaiser zu. Die Unterzeichnung bedarf zu ihrer
Gültigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, welcher dadurch die
Verantwortlichkeit übernimmt (Reichs-Verfassung Art. 17).
Die Verkündigung (Promulgation) erfolgt dann von Reichs-
wegen vermittelst eines Reichsgesetzblattes und durch dieselbe erhalten
dann die Reichsgesetze ihre verbindliche Krast (Reichs-Verfassung Art. 2).
Die Verkündigungsklausel lautet:
„Wir .. ., von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von
Preußen rc., verordnen hiermit im Namen des Deutschen Reichs, nach
erfolgter Zustimmung des Bundesrates und des Reichstages, was folgt.“
Für die diplomatische Richtigkeit (Authenticität) des Reichsgesetz-
blattes ist der Reichskanzler verantwortlich. (Sten. Bericht 1898, S. 1863.)