Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

VI. Abschnitt: Der Reichstag. 123 
7. Kapitel. 
Die Berufung, Eröffnung, Vertagung, Schließung und 
Auflösung des Reichstages. . 
Die Berufung, Eröffnung, Vertagung, Schließung des Reichstages 
steht (ausschließlich) dem Kaiser zu (Reichs-Verfassung Art. 12). 
Die Berufung erfolgt mit den Worten: 
„Der Reichstag wird berufen, am . . . in Berlin zusammen- 
zutreten und beauftragen Wir den Reichskanzler mit den zu diesem 
Zweck nötigen Vorbereitungen.“ 
Die Berufung findet ordentlicherweise alljährlich zu der vom Kaiser 
zu bestimmenden Zeit (Sten. Bericht 18671I, S. 116) jedenfalls vor Be- 
ginn des Etatsjahrs statt, es kann der Reichstag aber nicht ohne den 
Bundesrat berufen werden (Reichs-Verfassung Art. 13). Eine außerordent- 
liche Berufung kann der Reichstag nicht verlangen und er darf sich auch 
ohne Berufung durch den Kaiser als Kollegium nicht versammeln, zu- 
sammentreten (Sten. Bericht 1867 II, S. 123.) 
Die Eröffnung des Reichstages erfolgt im Gegensatz zur Er- 
öffnung des Bundesrates gewöhnlich in besonders feierlicher Weise, 
nämlich durch Gottesdienst, Aufzug und Thronrede des Kaisers vor 
dem Beginn der ersten Sitzung jeder neuen Legislaturperiode. 
Die Vertagung steht ebenfalls dem Kaiser zu und darf ohne 
Zustimmung des Reichstages die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen 
und während derselben Session nicht wiederholt werden (Reichs-Ver- 
saffung Art. 24, 26; Sten. Bericht 1890, S. 654 und Erkenntnis des Reichsgerichts 
vom 25. Februar 1892, S. 379). 
Die Schließung erfolgt nach der gleichen Zeremonie wie die 
Eröffnung je nach dem Ablauf einer Legislaturperiode bezw. nach der 
letzten Sitzung der Legislaturperiode durch den Kaiser. (Erkenntnis des 
Reichsgerichts vom 25. Februar 1892, S. 379.) 
Die Auflösung des versammelten oder vertagten Reichstages 
erfolgt, wenn der Reichstag seine verfassungsmäßigen Pflichten nicht 
erfüllt, worüber der Bundesrat entscheidet (Reichs-Verfassung Art. 24), ge- 
wöhnlich durch Verkündigung der diesbezüglichen kaiserlichen Botschaft 
durch den Reichskanzler ohne Zeremoniell. Auch kann z. B. Preußen, 
wenn es gegen seinen Willen überstimmt würde, ausnahmsweise zu 
diesem Mittel der Auflösung greifen, das eben wesentlich nur in seiner 
Hand liegt. Sten. Bericht 1867, S. 397, Spalte 1 u. 2.) 
Dieselbe erfolgt auf Grund eines Beschlusses des Bundesrates unter 
Zustimmung des Kaisers (Reichs-Verfassung Art. 24) und ist durch keine Zeit- 
bestimmung ausgeschlossen. Die Verordnung im Reichs-Gesetzblatt lautet: 
„Wir . .. . verordnen auf Grund des nach Art. 24 der Reichs- 
Verfassung vom Bundesrat unter Unserer Zustimmung gefaßten Be— 
schlusses, im Namen des Reichs, was folgt: 
Der Reichstag wird hierdurch aufgelöst.“
	        
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