Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

198 III. Teil: Die einzelnen Materien des Reichsrechts. 
lich Offiziersdienst) oder in den Kirchen-, Schul= oder 
Kommunaldienst aufgenommenen Ausländer oder An- 
gehörigen eines anderen Bundesstaates vertritt die 
Stelle der Naturalisations-Urkunde, bezw. Aufnahme- 
Urkunde, sofern nicht ein entgegenstehender Vorbehalt 
in der Bestallung ausgedrückt wird. 
Ist die Anstellung eines Ausländers im Bundesstaat erfolgt, 
so erwirbt der Angestellte die Staatsangehörigkeit in demjenigen 
Bundesstaate, in welchem er seinen dienstlichen Wohnsitz hat. (§ 9, 
Gesetz vom 20. Dezember 1875, S. 324.) . 
Einem in dem Reichsdienst inklusive Heer und Marine mit dem 
Wohnsitz im Ausland angestellten Ausländer darf die Naturalisation 
in einem Bundesstaate nicht verweigert werden. (Vergl. hiezu auch Art. 1 
der Bundesrats-Verordnung vom 3. August 1888), wonach Anstellung im 
Staatsdienst der Schutzgebiete der Anstellung im Reichsdienst gleich- 
gestellt ist. 
Es ist hiernach Grundsatz, daß die Aufnahme in den unmittel- 
baren oder mittelbaren Staatsdienst, beziehungsweise in den Kirchen-, 
Schul= oder Kommunaldienst, der förmlichen Erteilung der Naturali-= 
sations-Urkunde gleich zu achten ist. Jedoch wird es angemessen sein, 
diese Wirkung auf die von den Bundesregierungen selbst, oder von 
einer mindestens im Range einer oberen Verwaltungsbehörde stehenden 
Behörde vollzogenen oder bestätigten Bestallungen zu beschränken, wobeie 
es sich aus praktischen Rücksichten empfiehlt, den Vorbehalt zuzulassen, 
daß ausnahmsweise, in besonderen Fällen, die erwähnte Wirkung der 
Bestallung ausgeschlossen sein sollte. [Motive.] (Vergl. auch § 91 des Ge- 
setzes vom 10. September 1900, S. 813.) 
Die Naturalisations-Urkunde, bezw. Aufnahme-Urkunde, begründet 
mit dem Zeitpunkte der Aushändigung alle mit der Staatsangehörigkeit 
verbundenen Rechte und Pflichten. (§ 10.) 
Von selbst versteht es sich, daß hier unter den mit der Staats- 
angehörigkeit verbundenen Rechten und Pflichten nur diejenigen begriffen 
sind, welche eben den staatsrechtlichen Begriff des Indigenats ausmachen 
und deshalb jedem Staatsangehörigen ohne Unterschied des Alters, Ge- 
schlechts 2c. zustehen resp. obliegen. Dagegen beginnen diejenigen staats- 
bürgerlichen Rechte und Pflichten, welche auch für den als Inländer 
Geborenen erst unter gewissen Voraussetzungen entstehen, wie z. B. das 
Recht zur Teilnahme an politischen Wahlen und dergl., selbstverständlich 
auch für den Naturalisierten erst, wenn bei ihm diese Voraussetzungen 
eintreten. (Mottve.) 
Ausländern, welche in den Schutzgebieten sich niederlassen, sowie 
Eingeborenen kann durch Naturalisation die Reichsangehörigkeit von dem 
Reichskanzler verliehen werden. Der Reichskanzler ist ermächtigt, diese 
Befugnis einem anderen Kaiserlichen Beamten zu übertragen.
	        
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