270 Dritter Teil: Die einzelnen Materien des Reichsrechts.
In den unter Nr. 1 bis 7 gedachten Fällen ist die Entlassung
nicht mehr zulässig, wenn die zu Grunde liegenden Thatsachen dem
Arbeitgeber länger als 1 Woche bekannt sind.
Inwiefern in den unter Nr. 8 gedachten Fällen dem Entlassenen
ein Anspruch auf Entschädigung zustehe, ist nach dem Inhalt des Ver-
trages und nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften zu beurteilen.
(#123.)
Vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne
Aufkündigung können Gesellen und Gehilfen die Arbeit
verlassen:
1. wenn sie zur Fortsetzung der Arbeit unfähig werden;
2. wenn der Arbeitgeber oder seine Vertreter sich Thätlichkeiten
oder grobe Beleidigungen gegen die Arbeiter oder gegen ihre
Familienangehörigen zu Schulden kommen lassen;
3. wenn der Arbeitgeber oder seine Vertreter oder Familienange-
hörige derselben die Arbeiter oder deren Familienangehörige zu
Handlungen verleiten oder zu verleiten versuchen oder mit den
Familienangehörigen der Arbeiter Handlungen begehen, welche
wider die Gesetze oder die guten Sitten laufen;
4. wenn der Arbeitgeber den Arbeitern den schuldigen Lohn nicht
in der bedungenen Weise auszahlt, bei Stücklohn nicht für
ihre ausreichende Beschäftigung sorgt, oder wenn er sich wider-
rechtlicher Uebervorteilungen gegen sie schuldig macht;
5. wenn bei Fortsetzung der Arbeit das Leben oder die Gesundheit
der Arbeiter einer erweislichen Gefahr ausgesetzt sein würde, welche
bei Eingehung des Arbeitsvertrages nicht zu erkennen war.
In den unter Nr. 2 gedachten Fällen ist der Austritt aus der
Arbeit nicht mehr zulässig, wenn die zu Grunde liegenden Thatsachen
dem Arbeiter länger als 1 Woche bekannt sind. (§ 124.)
Außer den in §§ 123 und 124 bezeichneten Fällen kann jeder
der beiden Teile aus wichtigen Gründen vor Ablauf der vertrags-
mäßigen Zeit und ohne Innehaltung einer Kündigungsfrist die Auf-
hebung des Arbeitsverhältnisses verlangen, wenn dasselbe mindestens
auf 4 Wochen oder wenn eine längere als 14tägige Kündigungsfrist
vereinbart ist. (§ 124 a.)
Hat ein Geselle oder Gehilse rechtswidrig die Arbeit ver-
lassen, so kann der Arbeitgeber als Entschädigung für den Tag des
Vertragsbruchs und jeden folgenden Tag der vertragsmäßigen oder
gesetzlichen Arbeitszeit, höchstens aber für 1 Woche, den Betrag des
ortslüblichen Tagelohnes (§ 8 des Krankenversicherungsgesetzes vom 15. Juni
1883, Reichsgesetzblatt S. 73) fordern. Diese Forderung ist an den Nach-
weis eines Schadens nicht gebunden. Durch ihre Geltendmachung wird
der Anspruch auf Erfüllung des Vertrages und auf weiteren Schadens-
ersatz ausgeschlossen. Dasselbe Recht steht dem Gesellen oder Gehilfen