272 Dritter Teil: Die einzelnen Materien des Reichsrechts.
Der Lehrherr ist verpflichtet, den Lehrling in den bei seinem
Betriebe vorkommenden Arbeiten des Gewerbes dem Zweck der Aus-
bildung entsprechend zu unterweisen, ihn zum Besuch der Fortbildungs-
und Fachschule anzuhalten und den Schulbesuch zu überwachen. Er
muß entweder selbst oder durch einen geeigneten, ausdrücklich dazu be-
stimmten Vertreter die Ausbildung des Lehrlings leiten. Er hat den
Lehrling zur Arbeitsamkeit und zu guten Sitten anzuhalten und vor
Ausschweifungen zu bewahren, ihn auch gegen Mißhandlungen zu
schützen und dafür zu sorgen, daß ihm nicht Arbeiten zugewiesen werden,
die seinen körperlichen Kräften nicht angemessen sind. Er darf dem
Lehrling die zu seiner Ausbildung und zum Besuche des Gottesdienstes
an Sonn= und Festtagen erforderliche Zeit und Gelegenheit durch Ver-
wendung zu anderen Dienstleistungen nicht entziehen.
Zu häuslichen Dienstleistungen dürfen Lehrlinge, die im Hause
weder Kost noch Wohnung erhalten, nicht herangezogen werden. (8127.)
Der Lehrling ist der väterlichen Zucht des Lehrherrn unterworfen
und dem Lehrherrn, sowie demjenigen, welcher an Stelle des Lehrherrn
die Ausbildung zu leiten hat, zur Folgsamkeit und Treue, zu Fleiß
und anständigem Betragen verpflichtet.
Uebermäßige und unanständige Züchtigungen sowie jede die Ge-
sundheit des Lehrlings gefährdende Behandlung sind verboten. (8 127a.)
Das Lehrverhältnis kann, wenn eine längere Frist nicht
vereinbart ist, während der ersten 4 Wochen nach Beginn der Lehrzeit
durch einseitigen Rücktritt aufgelöst werden. Eine Vereinbarung, wo-
nach diese Probezeit mehr als 3 Monate betragen soll, ist nichtig.
Nach Ablauf der Probezeit kann der Lehrling vor Beendigung
der verabredeten Lehrzeit entlassen werden, wenn einer der im § 123
vorgesehenen Fälle auf ihn Anwendung findet oder wenn er die im
§ 127a bezeichneten Pflichten wiederholt verletzt oder den Besuch der
Fach= oder Fortbildungsschule vernachlässigt.
Von Seiten des Lehrlings kann das Lehrverhältnis nach Ablauf
der Probezeit aufgelöst werden:
1. wenn einer der im § 124 unter Nr. 1, 3 bis 5 vorgesehenen
Fälle vorliegt;
2. wenn der Lehrherr seine gesetzlichen Verpflichtungen gegen den
Lehrling in einer die Gesundheit, die Sittlichkeit oder die Aus-
bildung des Lehrlings gefährdenden Weise vernachlässigt, oder
das Recht der väterlichen Zucht mißbraucht, oder zur Erfüllung
der ihm vertragsmäßig obliegenden Verpflichtungen unfähig wird.
Der Lehrvertrag ist binnen 4 Wochen nach Beginn der
Lehre schriftlich abzufassen und wird durch den Tod des Lehrlings
aufgehoben. Durch den Tod des Lehrherrn gilt der Lehrvertrag als
aufgehoben, sofern die Aufhebung innerhalb 4 Wochen geltend gemacht
wird. (8 127b.)
Schriftliche Lehrverträge sind kosten= und stempelfrei. (§ 126b)