II. Abschnitt: Die Berf.-Urkunde des Deutschen Reiches. 11
Verfassung des Deutschen Reichs.
Se. Majestät der König von Preußen im Namen des Norddeutschen
Bundes, Se. Majestät der König von Bayern, Se. Majestät der König von
Württemberg, Se. Königliche Hoheit der Großherzog von Baden und
Se. Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein für die
südlich vom Main belegenen Teile des Großherzogtums Hessen, schließen
einen ewigen Bund zum Schutze des Bundesgebietes und des innerhalb
desselben gültigen Rechtes, sowie zur Pflege der Wohlfahrt des Deutschen
Volkes. Dieser Bund wird den Namen Deutsches Reich führen und
wird nachstehende Verfassung haben.
I. Bundesgebiet.
Artikel 1.
Das Bundesgebiet besteht aus den Staaten Preußen mit Lauenburg,
Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin,
Sachsen-Weimar, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Sachsen-
Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Koburg-Gotha, Anhalt, Schwatz-
burg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, Reuß älterer Linie,
Reuß jüngerer Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Lübeck, Bremen und Hamburg.
(Durch Ges. v. 23. Juni 1876 ist Lauenburg mit Preußen vereinigt.):
II. KReichsgesetzgebung.
Artikel 2.
Innerhalb dieses Bundesgebietes übt das Reich das Recht der
Gesetzgebung nach Maßgabe des Inhalts dieser Verfassung und mit der
Wirkung aus, daß die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen. Die
Reichsgesetze erhalten ihre verbindliche Kraft durch ihre Verkündigung von
Reichswegen, welche vermittelst eines Reichsgesetzblattes geschieht. Sosern
nicht in dem publizierten Gesetze ein anderer Anfangstermin seiner ver-
bindlichen Kraft bestimmt ist, beginnt die letztere mit dem vierzehnten Tage
nach dem Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stück des
Reichsgesetzblattes in Berlin ausgegeben worden ist.
Artikel 3.
1. Für ganz Deutschland besteht ein gemeinsames Indigenat mit der
Wirkung, daß der Angehörige (Unterthan, Staatsbürger) eines jeden Bundes-
staates in jedem anderen Bundesstaate als Inländer zu behandeln und
demgemäß zum festen Wohnsitz, zum Gewerbebetriebe, zu öffentlichen Aemtern,
zur Erwerbung von Grundstücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechtes
und zum Genusse aller sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben Vor-
aussetzungen wie der Einheimische zuzulassen, auch in Betreff der Rechts-
verfolgung und des Rechtsschutzes demselben gleich zu behandeln ist.
2. Kein Deutscher darf fin der Ausübung dieser Befugnis durch die
Obrigkeit seiner Heimat oder durch die Obrigkeit eines anderen Bundes-
staates beschränkt werden.
3. Diejenigen Bestimmungen, welche die Armenversorgung und die
Aufnahme in den lokalen Gemeindeverband betreffen, werden durch den
im ersten Absatz ausgesprochenen Grundsatz nicht berührt.