Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

XXX. Köschnitt. 
Die gegenseitige Rechtshilfe. 
Na Artikel 3 der Reichs-Verfassung bestimmt, daß für ganz Deutsch- 
land ein gemeinsames Indigenat mit der Wirkung bestehe, daß 
der Angehörige eines jeden Bundesstaates in jedem andern Bundesstaat 
als Inländer zu behandeln und demgemäß auch in Betreff der Rechts- 
verfolgung und des Rechtsschutzes demselben gleich zu behandeln sei. 
Dasselbe gilt selbstverständlich auch gegenüber denjenigen, welchen 
zwar nicht die Angehörigkeit zu einem Bundesstaat, aber doch bloße 
Reichsangehörigkeit zusteht. 
In diesem Sinne ist schon in der Verfassung des Norddeutschen 
Bundes und nun auch in Art. 4 Ziff. 11 der Reichs-Verfassung be- 
stimmt, daß der Beaufsichtigung seitens des Reichs und der Gesetzgebung 
derselben unterliegen: 
die wechselseitige Vollstreckung von Erkenntnissen in Zivilsachen 
und die Erledigung von Requisitionen überhaupt. 
Im Verfolg dieser Bestimmung erging das Gesetz vom 21. Juni 1869 
S. 305 betr. die Gewährung der Rechtshilfe. 
Der Abschnitt 1 desselben behandelt die Rechtshilfe in 
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und bestimmt in § 1, daß 
die Gerichte des Bundesgebiets sich in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten 
gegenseitig Rechtshilfe zu leisten haben. Hiebei mache es keinen Unter- 
schied, ob das ersuchende und das ersuchte Gericht demselben Bundesstaat 
oder ob sie verschiedenen Bundesstaaten angehören. 
Das ersuchte Gericht dürfe die Rechtshilfe selbst dann nicht ver- 
weigern, wenn es die Zuständigkeit des ersuchenden Gerichts nicht für 
begründet hält. Die Rechtshilfe wird auf Requisition von Gericht zu 
Gericht gebührenfrei geleistet, soweit nicht im Gesetz ausdrücklich Aus- 
nahmen statuiert sind. 
Die gleichen Grundsätze gelten auch bezüglich der 
Rechtshilfe in Strafsachen. 
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