Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

650 Dritter Teil: Die einzelnen Materien des Reichsrechts. 
Trotzdem kann man von einem Reichsheer in Friedenszeiten nicht 
sprechen. Man hat vielmehr 4 Armeen vor sich: 
1. die Preußische mit denjenigen Kontingenten, die ihm gemäß 
den mit ihm abgeschlossenen Konventionen mehrerer nord- 
deutschen Kleinstaaten unterstehen; 
2. die bayerische Armee; 
3. die sächsische Armee; 
4. die württembergische Armee; 
deren jede unter der ausschließlichen Militärhoheit der betreffenden 
Bundesfürsten steht, eigene Fahnen und Feldzeichen hat und die selbst- 
ständige Verwaltungen mit eigenen Kriegsministerien haben. Vergl. 
die Militär-Konvention mit Preußen, den Vertrag mit Bayern vom 
23. November 1870, III 8 5, Militär-Konvention mit Sachsen Art. 2 
und mit Württemberg vom 21./25. November 1870 Art. 1, 3, 6, 8, 
9, 10 und 14. Nur bezüglich Elsaß-Lothringen kann gesagt werden, 
daß die zum aktiven Dienst Ausgehobenen im Frieden wie im Krieg 
unter dem unmittelbaren Befehl des Kaisers stehen. Es ist jedoch Usus, 
daß die Wehrfähigen dieser Bundesgebietsteile durchaus den preußischen 
(namentlich Garde-) Regimentern eingereiht werden. 
Um jedoch bei Operationen gegen einen gemeinsamen Feind die 
verschiedenen Kontingente äußerlich möglichst als einheitliches Reichsheer 
erscheinen lassen zu können, ist schon für Friedenszeiten bestimmt: daß 
die Regimenter fortlaufende Nummern und möglich gleiche Bekleidung 
und Ausrüstung führen. (Reichs-Verf. Art. 63 Abs 2). 
In Kriegszeiten ist das Reichsheer ein absolut kaiserliches Heer 
und nicht ein Parlamentsheer. (Sten. Bericht 1887 S. 342 Bismarck.) 
Zu diesem Zwecke sind auch die einzelnen Bundesfürsten gemäß 
Art. 63 Abs. 3 der Reichs-Verfassung verpflichtet, daß die sämtlichen 
Truppenteile vollzählig und kriegstüchtig vorhanden sind und daß Ein- 
heit in der Organisation und Formation, in Bewaffnung und Kom- 
mando, in der Ausbildung der Mannschaften, sowie in der Qualifkation 
der Offiziere hergestellt wird und erhalten bleibt. 
Damit sich der Kriegsfeldherr schon in dieser Richtung die erfor- 
derliche Sicherheit verschaffen kann, ist er berechtigt, sich jederzeit durch 
Inspektionen von der Verfassung der einzelnen Kontingente zu über- 
zeugen und die Abstellung der dabei vorgefundenen Mängel nach Maß- 
gabe der Militär-Verträge anzuordnen. (Sten. Bericht 1867 S. 615). 
  
  
  
  
  
  
  
9. Kapitel. 
Die Kontingentsherrlichkeit der Bundesfürsten. 
Durch die Reichs-Verfassung Art. 64 ist bestimmt, daß da, wo 
nicht besondere Konventionen ein Anderes bestimmen, die Bundesfürften
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.