662 Dritter Teil: Die einzelnen Materien des Reichsrechts.
auf die gleiche Stufe mit den Angehörigen der militärischen Macht des
Reiches zu stellen.
Nach dem diesbezüglichen Gesetz (in neuer Redaktion publiziert am
18. Juli 1896 S. 653) ist der Kaiser oberster Kriegsherr der Truppe.
Im Gegensatz zu den nichtdeutschen Kolonien wird die Truppe
nicht aus einer Fremdenlegion, sondern:
a) aus Offizieren, Ingenieuren des Soldatenstandes, Sanitäts-
offizieren, Beamten und Unteroffizieren (bei der Schutztruppe
für Südwestafrika nach § 25 des zit. Gesetzes auch aus Ge-
meinen) des Heeres und der Marine des Reiches, welche auf
Grund freiwilliger Meldung der Truppe zeitweise zugeteilt
werden, und
b) aus angeworbenen Farbigen
gebildet und ergänzt.
Zur Zeit beträgt der Gesamtbestand der Schutztruppen ca. 7671
Köpfe, worunter 3927 Weiße und 3744 Schwarze.
Dem Reichskanzler steht es zu, die näheren Vorschriften über die
Organisation der Truppen zu erlassen. (§ 27 des Gesetzes vom 18. Juli 1896.)
Ihm sind die Schutztruppen in Ueberordnung über dem Gouverneur und
dem Kommandeur nun unterstellt. Dem Gouverneur kommt die oberste
militärische Gewalt zu und der Kommandeur hat für die Ausbildung
und Tüchtigkeit der Truppe zu sorgen. Die den Schutztruppen zuge-
teilten deutschen Militärpersonen und Beamten scheiden aus dem Heere,
und soweit sie der Kaiserlichen Marine angehören, aus dieser aus, jedoch
bleibt ihnen der Rücktritt, bei Wahrung ihres Dienstalters, unter der
Voraussetzung ihrer Tauglichkeit vorbehalten. Die den Schutztruppen zu-
geteilten Beamten gelten als Militärbeamte. (6 3.)
Die Wehrpflicht.
Laut Gesetz vom 25. Juni 1902 S. 237 ist vorgeschrieben, daß
der Kaiserlichen Verordnung vorbehalten ist zu bestimmen, in welchen
Schutzgebieten und unter welchen Voraussetzungen wehrpflichtige Reichs-
angehörige ihrer aktiven Dienstpflicht bei den Schutztruppen Genüge
leisten dürfen. Auf Grund dieser Gesetzvorschrift wurde die Verordnung
vom 5. Dezember 1902 S. 297 erlassen, welche lautet:
§ 1. Angehörigen des Reichsheeres oder der Kaiserlichen Marine,
welche auf Grund freiwilliger Meldung der Schutztruppe für Südwestafrika
zugeteilt werden, wird die Zeit, während welcher sie bei der Schutztruppe
dienen, auf die aktive Dienstzeit im Heere oder in der Kaiserlichen
Marine angerechnet.
· 8 2. Wehrpflichtige Reichsangehörige, welche außerhalb Europas
ihren Wohnsitz haben, werden zur Ableistung ihrer aktiven Dienstpflicht auf
ihren Wunsch in die Schutztruppe für Südwestafrika eingestellt. Der
Beibringung eines Meldescheins zum freiwilligen Eintritte bedarf es für
diesen Fall nicht.