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Zweiter Teil: Organisation des Bundes.
Wohnsitzgesetz kann ein fester, vor Ausweisung schützender Wohn-
sitz immer erst nach zwei Jahren erworben werden; in Bayern
ist es nicht nur möglich, die Heimat sofort nach dem Anzuge
zu erlangen, sondern es erhält jeder Staatsangehörige, der keine
Heimat erwirbt, unweigerlich eine sogenannte proviforische
Heimat, auf Grund deren er vor Ausweisung aus der betreffenden
Gemeinde geschützt ist und überdies im Bedürfnisfale vom
Staate öffentliche Armenunterstützung empfängt.“
fl. Die Gewerbefreiheit in der Gewerbe-Ordnung vom
21. Juni 1869 § 1, S. 305.
Hinsichtlich der kommerziellen Freizügigkeit be-
stimmt die Reichs-Verfassung Art. 33, Abs. 2, daß alle Gegen-
stände, welche im freien Verkehr eines Bundesstaates befindlich
sind, in jedem anderen Bundesstaat eingeführt werden können
und in letzterem einer Abgabe nur insoweit unterworfen werden
dürfen, als daselbst gleichartige inländische Erzeugnisse einer
inneren Steuer unterliegen.
In Betreff der Zulassung zu öffentlichen Aemtern
ist noch zu erwähnen, daß die Bestimmung des Art. 3 nicht
den Sinn hat, daß in einem Bundesstaate der Inländer, auch
wenn er die Bedingungen zu einem Staatsamte erfüllt und
seine Fähigkeit dazu dargelegt hat, im einzelnen Fall ein Recht
darauf hätte, angestellt zu werden, sondern nur den, daß die
Regierungen sich gegenseitig verpflichteten, keinen Unterschied zu
machen, also Keinen, der die Fähigkeit zu einem Staatsamt
nachgewiesen hat, um deswillen nicht anzustellen, weil er einem
anderen Bundesstaate angehört (Sten. Ber. 1867, S. 244). Vergl.
Gesetz vom 3. Juli 1869, S. 292.
Der Schutz gegen Doppelbesteuerung im Gesetz vom
13. Mai 1870, S. 119. § 46 Abs. 1 des Gesetzes vom
2. Mai 1874, S. 58 und § 9 Abs. 3 des Gesetzes vom
10. September 1900, S. 815.
Derrechtliche Anspruch auf Aufnahme in das Staats-
bürgerrecht und in der Folge auf Ausübung der
sämtlichen Rechte eines solchen Staatsbürgers im
Gesetz vom 1. Juni 1870 §§ 7, 15 und 21—23, S. 360 und im
Reichstagswahl-Gesetz vom 31 Mai 1869, S. 145. Vergl.
Gesetz vom 3. Juli 1869, S. 292 betr. die Gleichberechtigung
der Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Be-
ziehung.
Die Ausdrucksweise „Erlangung des Staatsbürgerrechts“
beruht auf der Erwägung, daß es der Natur der Sache nach
einen Unterschied giebt zwischen Staatsangehörigkeit, welche jedem
Unterthanen, also auch z. B. Minderjährigen, Frauen u. s. w.