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206 Thüringen 1216—1247.
das Verhältniß beider Gatten die innigste und zärtlichste Uber-
einstimmung der Gemüther. Wohl aber wich das fröhliche
Treiben auf der Wartburg einem sittlich-ernsten, ja strengen
Geiste. In vollster Übereinstimmung mit ihrem Gemahl wid-
mete sich Elisabeth den Werken der Barmherzigkeit und christ-
lichen Nächstenliebe mit einer Demuth, einer Hingabe und in
einem Umfange, daß sie unbedingt die edelste Repräsentantin
jenes Geistes evangelischer Selbstentäußerung genannt werden
muß, der kurz zuvor durch Franz von Assisi erweckt worden
war, und daß ihre hohe Erscheinung in dieser selbstgewählten
Niedrigkeit auf Mit= und Nachwelt den tiefsten Eindruck hinter-
lassen hat. Ihren Höhepunkt erreichte ihre Wohlthätigkeit
während der großen thüringischen Hungersnoth 1226 und
1227. Von Wundern freilich, die sie bei. Lebzeiten verrichtet
habe, weiß keine der älteren Onellen etwas.
Da trat ein Mann in den stillen Kreis ihres Lebens, der
einen entschiedenen Einfluß auf ihren Geist und auf ihr Schick-
sal auszuüben bestimmt war, jener Konrad von Mar-
burg 1) (vielleicht ein Verwandter der Schenken von Schweins-
berg, und der dritten Klasse des Franziskanerordens angehörig),
der schon 1214 von Innocenz III. als magister haereticorum
nach Deutschland gesendet worden war, um auch hier der In-
quisition Eingang zu verschaffen, die in Frankreich gegen die
Albigenser sich so erfolgreich bewiesen hatte; gelehrt und sitten-
streng, „den alles Volk für einen heiligen und gerechten Mann
bielt, die einen mit Liebe, andere mit Furcht“, aber maßlos
und leidenschaftlich in dem Eifer für die Sache, der er diente,
bereit, mit Feuer und Schwert jede Abweichung von dem Kirchen=
dogma zu strafen, und überzeugt, daß die mönchische Ascese der
Inbegriff des Christenthums sei. Daß Ludwig diesen finsteren
Eiferer nach Thüringen berief und ihm sogar 1227 die Be-
setzung sämmtlicher geistlicher Beneficien, die ihm zustand, über-
ließ (wenn auch, wie wahrscheinlich, nur für die Zeit seiner Ab-
wesenheit), zeugt besser als alles für die strengkirchlichen An-
sichten des Landgrafen; aber Elisabeths weiches Gemüth, der
) Annal. Reinhardsbr., p. 191. — Henke, Konrad von Max-
burg (1861). "6“