Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Erster Band: Von den frühesten Zeiten bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. (1)

Koncil zu Kostnitz. 817 
In jenen Tagen innerer Zerrissenheit und Parteiung in 
den meisten deutschen Ländern und im Reiche überhaupt, des 
Daniederliegens aller Ordnung und Gesetzlichkeit, war auch in 
dem Regiment der Christenheit schwere und ärgerliche Irrung 
eingetreten. Nicht bloß das unerhörte Beispiel, drei deutsche 
Könige auf einmal zu haben (Wenzel von Böhmen, Jobst von 
Mähren und Sigismund von Ungarn), bot sich dar, sondern 
auch das noch befremdendere, drei Päpste zu gleicher Zeit, un- 
trüglich jeder und des heiligen Geistes ausschließlich voll, sich 
wechselseitig verfluchen und verketzern zu hören. Nach dem 
avignoner Exil der Päpste war das große Kirchenschisma ein- 
getreten, und das Koncilium zu Pisa 1409 hatte, statt beide 
Päpste abzusetzen, wic es beabsichtigte, nur einen dritten ge- 
schaffen, der die dringend geforderte Reformation der Kirche 
klüglich hintertrieb, weil sie von ihm selbst hätte ausgehen 
müssen. Nur ein Grundsatz wurde glücklich aufgestellt, welcher 
die Spitze der hierarchischen Pyramide stumpfer machte, daß 
ein allgemeines Koncil über dem Papste stehe. Festgestellt wurde 
dieser gewichtige Satz und durchgekämpft auf der großen Kirchen- 
versammlung zu Kostnitz (1414); aber Kaiser Sigismund be- 
sudelte das Verdienst, das er sich mit Berufung derselben er- 
worben, durch das Blut Johann Hussens, indel er geschehen 
ließ, daß die Deutschen, noch voll nationaler Eifersucht gegen 
die Böhmen, den Reformator dem Hasse seiner prager Ankläger 
und der französischen Nominalisten Preis gaben. Das war ein 
schlimmes Zeichen für die Kirchenverbesserung, welche Martin V. 
versprochen hatte, „aber wie Leute von bösem Gewissen nur 
nicht sogleich, sondern erst in fünf Jahren“ 1). 
Auf diesem Koncilium war die junge Universität Leipzig 
durch ihren Kanzler, den Bischof Nikolaus Lübeck von Merse- 
albert. und ernest. Linien Annales von 1400—1700 (Weimar 1700, Fol.) 
zu den Jahren 1410, 1423. Müller war gcheimer und Lehnssekretär 
und Archivar zu Weimar, und sein Werk behauptet wegen der tresslichen 
aus Archiven geschöpften Nachrichten (deren manche Spätere gern wieder 
verkümmert hätten) fast den Nang einer Quelle, besonders vom 16. Jahr- 
hundert an. 
1) Worte L. T. Spittlers, Grundriß der Geschichte der christlichen 
Kirche, 5. Ausl. v. Plauck (Göttingen 1812), S. 338. 
1414
	        
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