Allgemeines. Landständische Verfassung. 411
Dagegen gab die Kurwürde dem Fürstenstamme unver-
kennbar ein weit höheres Ansehen, dem Staate eine erhöhcrte
politische Stellung, dem Hofe größeren Glanz und endlich doch
auch in einer gährenden und nach neuen Gestaltungen ringenden
Zeit einen festen, unantastbaren Kern und Mittelpunkt des
Ganzen.
Denn auch in Sachsen machen sich die Wirkungen der
großen Wandelung, welche seit ungefähr der Mitte des 15.
Jahrhunderts die Gemüther zu ergreifen begann und auf allen
Gebieten menschlicher Thätigkeit die abgelebten Formen des
Mittelalters durch neue Schöpfungen zu ersetzen strebte, deut-
lich geltend, zunächst in der sich rascher entwickelnden Um-
gestaltung der innern politischen Verhältnisse, welche die Ent-
stehung eines wirklichen Staatswesens näher brachte. Beruhte
auch, wie sich aus Friedrichs des Sanftmüthigen und Wilhelms
Übereinkommen mit den Insassen von Meißen, dem Osterlande,
Franken und dem Vogtlande, aus der 1484 den Prälaten,
Klöstern, Ritterschaft und Städten des Osterlandes von Ernst
und Albrecht ertheilten Bestätigung ihrer von Alters her be-
sessenen Vorrechte ergiebt, der Rechtszustand des Landes noch
immer auf Einzelvertrag, so vollzog sich doch jetzt eine höchst
wichtige Veräuderung dadurch, daß sich als Gegengewicht gegen
die stärker sich entwickelnde Landeshoheit der Fürsten die An-
fänge einer landständischen Verfassung bildeten. Mit
der Versammlung der Prälaten, Grafen, Herren, Nitter und
Städte nicht nur des meisiner und Osterlandes, sondern auch
Sachsens zu Leipzig im Jahre 1438 beginnen in unserem
Lande die eigentlichen Landtage, auf welchen die Berufenen nicht
mehr wie sonst nur als Räthe der Fürsten und rein persönlich
sondern als Mitglieder einer die gemeinschaftlichen Interessen
vertretenden Korporation erschienen. Sah man nun auch diesen
Vorgang ursprünglich nur als ézwas Vorübergehendes an, her-
vorgernfen durch die von den Fürsten zur Deckung ihrer
Schulden erhobene ganz außergewöhnliche Forderung einer all-
gemeinen Steuer, so mußte sich doch eben in demselben Maße,
die nur dieses angehen, gemeinschaftlich vollzogen werden. Weisse II,
295 und 361.