Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Erster Band: Von den frühesten Zeiten bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. (1)

446 Luther; 
wittenberger Augustinermönchs hatte nichts gemein mit der sinn- 
lich-antiken Lebensauffassung der erfurter Humanisten, ihm war, 
obgleich er durch ihre Vorlesungen gegangen, der Enthusiasmus 
der Poeten für die Antike fremd geblieben. Aber je bestimmter 
Luthers Iveen eine Nichtung gegen die Scholastik, diese feste 
Burg des herrschenden Kirchenthums, nahmen, desto mehr mußten 
sie sich im Ziele des Angriffs mit denen der Humanisten be- 
gegnen; Luthers Gegner waren auch die Reuchlins. So ver- 
mählte sich die humanistische Opposition mit der theologischen, 
jene ging über in diese, und mit der nänilichen Leidenschaft, 
welche die Humanisten in ihren früheren Fehden gegen die 
Scheingelehrsamkeit der Scholastiker bewiesen, stürzten sie sich 
jetzt in den von Luther entzündeten Kampf gegen die Hierarchie. 
Insofern also sind es unstreitig der Humanismus und die 
Augustiner gewesen, welche der Reformation gerade hier den 
Boden bereiteten. 
Wer aber wollte leugnen, daß die große Erscheinung zuletzt 
doch nur in der gewaltigen Persönlichkeit ihres Urhebers eine 
ausreichende Erklärung findet. Gewiß hat auf Luther und sein 
Werk die Atmosphäre von Erfurt und Wittenberg den größten 
Einfluß gehabt, aber der wahre innere Kern seines Weseus ist 
doch mehr als das Product von Zeit= und Lebens-Verhältnissen. 
Ein Mann wie Luther, ein treuer Abdruck seines deutschen 
Volkes in seinen guten Eigenschaften wie in seinen Schwächen, 
gerade, treu, fest, muthig für erkanntes Gute, hartnäckig bis 
zum libermaß für gewonnene Überzeugung, derb in Wort und 
Schrift, selbst Königen gegenüber, wo ein Erasmus nur strei- 
chelte, gelehrt und populär zugleich, der alten Quellensprachen 
und zum Heil der Sache auch der heimischen völlig mächtig, 
den Freuden des Lebens nicht mürrisch abgestorben, dabei des 
festen Glaubens (der ein Talisman für alles Große ist), daß 
Gott das Gute schützen müsse, im Gegentheile aber an Mann 
und Werk nicht viel verloren sei, darum eifrig, hitzig, voll Be- 
geisterung für die Sache, bereit sein Leben ihr zu opfern, aber 
auch dann in minder Wichtigem unbiegsam, weil man in Glau- 
benssachen gar nichts abhaudeln und nicht markten könne, war er 
für die einzige Sache, sie zu begiunen, vielleicht der einzige Mann.
	        
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