Reichstag zu Speier 1529. 405
war, so aus den Angen, daß kein katholischer Staud ihn be-
suchte, wie er selbst seinem Sohn Johann Friedrich, der unter-
deß wahrscheinlich der Regierung vorstand, schrieb. Selbst der
Pfälzer und Mecklenburger „kannten kein Sachsen mehr“. Es
schien wie eine Art Verruf gegen die Evangelischen dort zu
walten. Auch gepredigt in den Herbergen sollte nicht werden.
Wenn auch jetzt der Kaiser das wormser Edict fallen ließ, so
traten dafür (15. März) seine Commissarlen mit dem Antrage
hervor, daß der vorige speiersche Abschied, in welchem auch die
altgläubigen Fürsten, wie Georg von Sachsen, die Ursache aller
Irrungen sahen, weil aus demselben „trefflich großer Unrath
und Mißverstand wider den heiligen Glauben, auch Ungehorsam
gegen die Obrigkeit“ hervorgegangen, aufgehoben werden solle,
und in Ubereinstimmung hiermit faßte die Mehrheit der Stände
den Beschluß, daß in den evangelischen Gebieten keine weiteren
Neuerungen vorgenommen, die Ubung des alten Gottesdienstes
niemandem verwehrt, die Lehre der Schweizer aber überhaupt
nicht, sowenig wic die der Wiedertäufer, geduldet werden solle.
Wenn an sich schon die Berechtigung zu einer solchen, nur
durch zufällige Umstände möglich gewordenen, Aufhebung des
früheren Beschlusses, zu einer Aburtheilung über Gewissens-
und liberzeugungs-Sachen durch Stimmenmehrheit höchst zweifel-
haft erscheinen mußte, so hieß dies auch die Reformation in
sich selbst vernichten und, wie die Theologen sagten, neben den
Altären des wahren Gottes die Altäre Baals haben. Jetzt
konnten bloß Glieder von der neuen Lehre abtrünnig werden,
nicht hinzutreten. Die Partei wire geschlossen gewesen. Und
unbeirrt durch die Erklärung des kursächsischen Gesandten von
Minkwitz: daß die Evangelischen einen Beschluß, der sie mit
Verderben bedrohe, nicht würden zu gesetzlicher Kraft gelangen
lassen, daß in Sachen des Gewissens man überhaupt der
Majorität nicht Statt geben dürfe, der Reichstag auch gar nicht
befugt sei, noch vor allem Koncil eine Lehre, die von einem
Theile der Stände für christlich gehalten werde, als unchristlich
zu verwerfen, erklärten am 19. April König Ferdinand und
die Commissarien den Beschluß für angenommen. Hiergegen
legten aber alsbald die Evangelischen jene berühmte Pro-