286 IV. Buch. Die Erledigung der Staatenstreitigkeiten.
bringung in gesundheitsschädlichen Lagern als völkerrechtswidrig be-
zeichnet werden.
. ©) In völkerrechtlicher Beziehung auf das Verhältnis der kriegfübrenden
zu den neutralen Mächten. Vgl. darüber unten $ 42.
d) Bis zum Ausbruch des Weltkrieges hat es seit Rousseau als einer der
unbestrittensten Sätze des Völkerrechts gegolten, daß der Kriegszustand keinen
Einfluß auf die privatrechtlichen Beziehungen zwischen den Staatsangehörlgen
der kriegführenden Staaten ausübt. Die Verbandsmächte haben im Weltkrieg
diesen Grundsatz heseltigt. Aber neues allgemeines Völkerrecht vermag ihre
übereinstimmende Anschauung nicht zu begründen. So ist hier eine große Lücke
entstanden, die nur für die Zukunft durch zwischenstaatliche Vereinbarungen
ausgefüllt werden kann.
Schon seit dem Jahre 1911 war es klar, daß England dem Art. 23h
des von ihm ratifizierten Abkommens über die Gesetze und Gebräuche
das Landkrieges eine ungleich beschränktere Bedeutung beilege, als die
europäischen Festlandsmächte. Darüber ist das unten $40 Note8 Ge-
sagte zu vergleichen. Aber erst der Krieg hat die ganze Tragweite die-
ser Meinungsverschiedenheit offenbar gemacht. Nach englischer Auf-
fassung wird der Krieg nicht nur gegen die Streitkräfte, sondern gegen
die Gesamtbevölkerung des Gegners geführt. Der Staatsange-
hörige des feindlichen Staates ist der Feind Englands, alien enemy; der
privatrechtliche Verkehr mit ihm (trading with the enemy) ist mithin
in jeder Gestalt ein Verbrechen gegen das englische Reich. Sein Eigen-
tum ist feindliches Eigentum, das daher dem Zugriff der englischen
Staatsgewalt offensteht. Dem feindlichen Staatsangehörigen ist der
Rechtsschutz versagt; fällige Verpflichtungen dürfen ihm gegenüber
nicht erfüllt, bestehende, vor dem Kriege geschlossene Verträge können .
vernichtet, erworbene gewerbliche Schutzrechte ihm entzogen, seine
wirtschaftlichen Unternehmungen in Zwangsverwaltung genommen und
der Zwangsauflösung zugeführt werden. Dabei ist nach englischer Auf-
fassung nicht die Staatsangehörigkeit, sondern Wohnsitz oder Nieder-
lassung im Feindesland maßgebend. Und was für das Völkerrecht
das wichtigste ist: die Verbündeten Englands auf dem europäischen
Festland haben, entgegen der vor dem Kriege von ihnen vertretenen
Auffassung, sich auf den englischen Standpunkt gestellt und die eng-
lischen Maßnahmen da und dort noch überboten: (russischer Eingriff
in das Grundeigentum russischer Kolonisten von deutscher Abstam-
mung). Daher haben Deutschland und seine Verbündeten sich zu Ver-
geltungsmaßregeln gezwungen gesehen.
So wird der Weltkrieg in der Tat nicht nur gegen die Streitkräfte,
sondern auch gegen die friedlichen Angehörigen des Kriegsgegners ge-
führt. Daraus folgt aber nicht, was Eltzbacher (oben $2 Note1l))
annimmt. daß damit an Stelle des alten (‚toten‘) ein neuer („lebender“)