Gefangeuhaltung des Laudgrafen. 599
jetzt mit derselben meisterhaften Geschicklichkcit zustrebte, die ihm
einst den Kurhut gewonnen hatte. „Es ist nicht zu viel
gesagt“, meint der Geschichtsschreiber des protestantischen Lehr-
begriffs, „daß diese Unternehmung mit einer Klugheit angelegt
war, welche die Politik der neuen, und mit einer Kühnheit
durchgeführt wurde, welche den Muth der alten Römer beschämen
konnte.“ 1) Nichts von dem, was in seiner Seele arbeitete,
kam äußerlich zum Vorschein; aber während er die Zeit, die
ihm von den Freuden der Jagd und der Trinkgelage, des Fast-
nachtsscherzes und der Ritterspiele übrig blicb, ausschließlich der
Erfüllung der Regentenpflichten gegen sein Land zu widmen
schien, brütete sein Geist in unergründlicher und selbst seinen
vertrautesten Räthen nur selten zugänglicher Verschwiegenheit
über der Auffindung und Zurüstung der Mittel, die er seinen
Absichten dienstbar zu machen beschlossen hatte.
Aber wie Vieles ihn auch beunruhigen mochte, so war
gewiß die trotz aller seiner Verwendungen fortgesetzte und nach
einem mißlungenen Fluchtversuche nur noch härter gewordene
Gefangenschaft seines Schwiegervaters eine Hauptursache seiner
Entfremdung vom Koaiser; sie ließ ihn vor den Augen der Welt
als einen Wortbrüchigen erscheinen, sie war eine Kränkung, die
sein Herz traf und wurde durch dic unablässigen Klagen und
Beschwerden seiner Schwäger zur wahren Folter für ihn. Nach
gemeinsamer Besprechung zu Jüterbock erklärten die Kurfürsten
von Sachsen und von Brandenburg dem Kaiser, vor Freilassung
des Laudgrafen könnten sie ehrenhalber den Reichstag nicht be-
suchen, und das gleiche Versprechen gab kurz darauf (Juni
1550) Moritz seinem Schwager Wilhelm von Hessen auf einer
Zusammenkunft zu Salza. Hier wurde das Einverständniß
zwischen Sachsen und Hessen eingeleitet, welches, dem gleichen
Ziele wie der Geheimbund der norddeutschen Fürsten zustrebend,
für Moritz der Ausgangspunkt seines ganzen ferneren Auf-
tretens bildete.
Der Umstand, daß Magdeburg noch immer nicht bezwungen
war, gab ihm einen weiteren höchst willkommenen Vorwand, sein
Ausbleiben zu entschuldigen. Lange hatte sich niemand gefunden
1) Planck III, 2. S. 477.