610 Kurfürst Moritz' Zug gegen Tirol.
Hätte Moritz nicht einen Tag durch die Meuterei des reiffen-
bergischen Regiments, welches ungestim den Sturmsold for-
derte und sogar Feuer auf den Kurfürsten gab, verloren, der
gebeugte und podagrische Kaiser wäre seine Bente geworden.
So aber behielt Karl Zeit, mit den Seinigen und begleitet
von Johann Friedrich, aus dessen Nähe jetzt wenigstens die
spanische Wache entfernt wurde, wenn er gleich noch dem Kaiser
folgen mußte, über das Gebirge 37 Meilen weit nach Villach
in Kärnthen zu fliehen. Das Koncil, das der Papst schon am
15. April suspendirt hatte, stob auseinander; am 23sten rückte
Moritz in Jusbruck ein.
Dieses Ereigniß zeigte die Erfolglosigkeit jeden Widerstandes.
Moritz begab sich nach Passau, wo König Ferdinand, Albrecht
von Bayern, die Gesandten des Kaisers, alld: Kurfürsten und
der meisten Fürsten eingetroffen waren, um getragen von der
nach Frieden, nach religiöser Duldung, nach Abwerfung der
Fremdherrschaft verlangenden Stimme der Nation, als deren
Vertreter recht eigentlich Kurfürst Moritz erschien, das Friedens-
werk zu vermitteln. Die Befreiung des Landgrafen zwar ge-
stand der Kaiser ohne Widerrede zu, desto hartnäckiger aber
verweigerte er die Preisgabe der letzten Reichstagsbeschlüsse
über die Religionsangelegenheiten, da, was ein Reichstag be-
schlossen, nicht einseitig durch ihn, sondern nur wieder durch
einen Reichstag abgeändert werden könne. Er war entschlossen
nicht weiter nachzugeben und erwog inmitten dieser Verband-
lungen fort und fort die Möglichkeit, seine Nachepläne ins Werk
zu setzen; auf seinen Antrieb mußte Johann Friedrich in Passau
anfragen lassen, ob ihn die Kurfürsten, wenn Moritz geächtet
würde, bei seinem wiedererlangten Kmfürstenthume schützen
würden 1). Da erkannte Moriz, daß es eines neuen Druckes
auf den widerwilligen Kaiser bedürfe; er erklärte den Waffeu-
stillstand für abgelaufen und führte sein Heer aus dem Lager
bei Mergentheim gegen Frankfurt, einen neuen Musterplatz
kaiserlichen Kriegsvolks. Bestürzt über den drohenden Bruch
1) Hortleder, Vom Anfang und Fortgang des deutschen Kriehs
II, Buch 3, Cap. 24.