Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

* 53 Grenzen der Verwaltung und Justiz. 139 
  
öffentlicher und mündlicher Verhandlung entscheidet 1). 2. Das Verfahren bei Streitig- 
keiten zwischen verschiedenen Armenverbänden auf Grund des Reichsgesetzes über 
den Unterstützungswohnsitz vom 30. Mai 1908; auch hier entscheidet in erster Instanz 
eine „Senatskommission für Angelegenheiten der Armenverbände“ von 3 Mitglie- 
dern, gegen deren Entscheidungen Berufung an das Bundesamt für Heimatwesen 
gegeben ist 2). 3. In Bremen besteht auch ein Verwaltungsstreitverfahren zur Ent- 
scheidung der Bedürfnisfrage bei Erteilung einer Wirtschaftskonzession; als Ver- 
waltungsgericht fungiert ein Stadtausschuß bzw. der Kreisauschuß, in zweiter In- 
stanz die Rekursbehörde in Gewerbesachen (V. v. 3. Juli 1897; unten § 66). Rein 
landesrechtliche Einrichtungen sind die in beiden Staaten neuerdings eingesetzten 
Ausschüsse zur Entscheidung über die Anwendung des armenpolizeilichen Arbeits- 
zwanges gegen säumige Nährpflichtige (unten § 60 III). In Lübeck findet ein Ver- 
waltungsstreitverfahren ferner statt vor den Senatsausschüssen für Beschwerden 
in Bau= und Sielsachen, vor den in den Baufluchtliniengesetzen vorgesehenen Ent- 
schädigungskommissionen, sowie den in Enteignungssachen bestellten Enteignungs- 
kommissionen 3). 
§ 53. Grenzen der Verwaltung und Justiz. I. Zulässigkeit des Rechts- 
weges vor den Zivilgerichten. Die Reichsgesetze stecken die Grenzen 
für den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten nicht ab. Nach §& 13 des Ger. Verf.G. 
gehören vor die ordentlichen Gerichte „alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und 
Strafsachen, für welche nicht die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Ver- 
waltungsgerichten begründet ist oder reichsgesetzlich besondere Gerichte bestellt 
oder zugelassen sind“. Die Abgrenzung des Begriffes der bürgerlichen Rechtsstreitig- 
keit ist damit dem Landesrecht überlassen, soweit nicht die Reichsgesetze im einzelnen 
Näheres bestimmen ). In Bremen und Lübeck sind die Grenzen der Zuständigkeit 
der Gerichte verschieden weit gezogen, — auch dieses wenigstens zum Teil eine Folge 
ihrer oben S. 11 f. geschilderten verschiedenartigen Verfassungsentwicklung. Die 
Verfassungen von Hamburg und Bremen übertrugen, als sie die Kompetenzen nach 
den Grundsätzen des Rechtsstaates verteilten, den Gerichten ausdrücklich die Auf- 
gabe, den Einzelnen gegen Uebergriffe der Verwaltung zu schützen 5); die Verfassung 
1) Ueber das Verfahren: Brem. Ges. v. 17. Nov. 1869 (S. 81). Der Rekursbehörde sind auch 
Entscheidungen in andern Sachen übertragen, so über Eintragung in das Vereinsregister nach BG# B. 
§* 62; Brem. AG. 5 3; Lüb. AG. § 5 und V. v. 18. Mai 1901 (S. 58); ferner über Auflösung 
von Vereinen nach dem Reichsvereinsgesetz v. 13. Mai 1906, 5 2, 15; in Reichs= und Staatsan- 
gehörigkeitssachen nach § 40 des RG. v. 22. Juli 1913. 
2) Für Bremen: Ges. v. 2. Jan. 1871 (S. 2) und v. 18. Nov. 1877 (S. 107) mit Nachtrag 
v. 7. Febr. 1913 (S. 28), wonach auch ein Syndikus der Kommission angehören kann. — Für 
Lübeck: A#G. v. 9. Dez. 1911 (S. 173): 2 Senatoren und 1 Senatssekretär. 
3) Die Armenordnung für die Stadt Lübeck v. 9. Dez. 1911 (S. 163) sieht bereits eine An- 
fechtung der Entscheidung des Ausschusses über die Anwendung des Arbeitszwanges vor dem 
künftigen Verwaltungsgerichtshof vor, bis zu dessen Einsetzung aber durch Beschwerde oder Klage 
vor den ordentlichen Gerichten. — Ueber die Beschwerden in Bausachen: Bauordnung f. die Stadt 
Lübeck v. 25. Mai 1903, § 84; in Sielsachen: Ges. betr. die Sielanlagen v. 25. Mai 1903, 5 14. 
Ueber die Enteignungskommissionen: Lüb. Enteignungsges. v. 18. Juli 1898, §5 6 (III, S. 88); über 
die Stellung dieser Kommissionen in Enteignungssachen speziell für Hamburg: R. Bd. 75, S. 428. 
4) So die Motive zum GVG., S. 32. RG. Bd. 5, S. 36; auch die Entsch, des RG. in HG3Z. 
1910, n. 122 (Brem. S.). Hierzu und zum Folgenden ferner: Stein, Grenzen und Beziehungen 
zwischen Justiz und Verwaltung (1912). 
5) Nach der Hamb. Verf. Art. 89 können die Verwaltungsbehörden „von Jedem, der sich durch 
ihre amtlichen Handlungen in seinem Privatrechte verletzt glaubt, auf Entschädigung oder Genug-
	        
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