8 53 Grenzen der Verwaltung und Justiz. 141
Im einzelnen ist nach § 15 Voraussetzung für die Zulässigkeit
des Rechtsweges: l1. Es muß eine Verwaltungsmaßregel vor-
liegen, d. h. ein Eingriff der Verwaltungsbehörde; nicht genügt eine bloße Meinungs-
äußerung der Behörde 1) oder auch eine ihr zugewiesene richterliche Entscheidung,
z. B. in Disziplinarsachen 2). Gleichgültig ist, ob die Maßregel von einer bremischen
Staats= oder Gemeindebehörde ausgeht 3).
2. Der Eingriff muß die „Privatrechte“ verletzen. Zu ihnen gehören
nicht nur bestimmte „wohlerworbene Rechte“, sondern die gesamte individuelle
Rechtssphäre, alles, was der Einzelne um seiner selbst willen besitzt ). Eine Privat-
rechtsverletzung liegt vor allem vor, wenn der Eingriff das Vermögen trifft, so
bei unberechtigter Erhebung von Steuern 5), Auferlegung einer Zwangsstrafe durch
Polizeibefehl (unten § 54) 6), Verweigerung der Bauerlaubnis?), bei Beschränkungen
der Gewerbefreiheit 3). Doch braucht der Eingriff nicht das Vermögen zu treffen;
es genügt auch eine sonstige Beschränkung, z. B. der persönlichen Freiheit v).
Die Klage kann auf Beseitigung des Eingriffes, auf Unterlassung weiterer Ein-
griffe 10) und, falls die Voraussetzungen dafür gegeben sind, auch auf Schadens-
154). Streitig ist, ob sie ihnen zugewiesen sind als „bürgerliche Rechtsstreitigkeiten“ gemäß § 13
GVG. oder in Ausübung der Befugnis der Landesgesetzgebung den „Landesbehörden jede andere
Art der Gerichtsbarkeit“ zu übertragen gemäß EG. zum GVG. F4. Letzteres behauptet speziell
für Hamburg, aber mit allgemeinen Gründen, Hartmann, H3. 1908, S. 269; 1910, S.
279 und sonst, der daraus die Konsequenz zieht, daß in diesen Sachen nur die Zuständigkeit der Ge-
richte des eigenen Staats und nicht die des Hans. OLG. und Reichsgerichts habe begründet werden
können. Diese Auffassung ist von den Gerichten zurückgewiesen: H#G. 1912, n. 13 (mit zum Teil
bedenklicher Begründung) und n. 144; 1913, n. 36, 154; auch Stein a. a. O., S. 28 f. Sie
steht auch im Widerspruch mit der geschichtlichen Entwicklung jedenfalls in Bremen; man dachte
nicht daran, den Gerichten durch den § 15 der Verf. eine besondere Art der Gerichtsbarkeit zu
überweisen, sondern wollte diese Sachen, über deren öffentlich-rechtliche Natur man schwerlich im
Klaren war, gleich andern Sachen der Kognition der Gerichte, und zwar auch des Oberappellations-=
gerichtes unterstellen. Zuzugeben ist Hartmann, daß die Gerichte dann vielfach die öffentlich-
rechtliche Natur dieser Sachen verkannt und sie unter fälschlicher Gleichstellung von klagbaren mit
zivilrechtlichen Ansprüchen dem Privatrecht vindiziert haben, während der §& 15 der Verf. sich nur
auf ihre prozessuale Behandlung bezieht. Diesen Unterschied scharf herausgehoben zu haben,
ist das Verdienst von Stein. Vgl. auch Sieveking in H3. 1910, n. 190 (gegen Hart-
man n) und de lege kerenda über das Bedenkliche der Zuweisung dieser Sachen an die Zivilgerichte:
Behr, Staat und Fiskus im hamb. Verw.-R., HG#Z. 1910, Beilage S. 12f.
1) HG. 1904, n. 53. Auch ein drohender Eingriff genügt nicht: HG# Z. 1906, n. 196, aber
auch 1910, n. 188. Ein ablehnender Bescheid einer Behörde genügt nur, wo sie zum Handeln ver-
pflichtet ist: HG. Z. 1910, n. 142. Ueber Warnungen der Medizinalbehörden: H## Z. 1911, n. 8;
1912, n. 10 (Brem. S.); 1905, n. 180 (Hamb. S.).
2) HGZ. 1910, S. 170: Disziplinarmaßregel des Senats.
3) HG. 1912, n. 31; 1913, n. 227 (Brem. S.); 1907, n. 116; 1913, n. 29 (Hamb. S.). —
Dagegen begründet der Eingriff einer Reichsbehörde den Rechtsweg nach §& 15 der Verf. nicht
K# Z 1910, n. 126.
4) So Nöldeke, Hamb. Privatrecht, S. 296; RG. in H#. 1910, n. 113.
5) RG. Bd. 11, S. 65 (Brem. S.); Bd. 42, S. 109 (Brem. S.); Bd. 52, S. 159; HG. 1900,
n. 48; 1906, n. 124 (Polizeigebühr); RG. Bd. 25, S. 331 (Heranziehung zu Wegepflichten).
6) H#G. 1887, n. 134; 1902, n. 32, 115; 1910, n. 188.
7) HGB. 1909, n. 161; R. in H#. 1910, n. 122; 1911, n. 32; ferner in der Kompetenz-
konfliktssache bei Warn. Rspr. 1911, n. 307.
8) HGZ. 1893, n. 98; 1900, n. 155; 1902, n. 115; 1909 n. 7; 1912, n. 10.
9) HG, 1910, n. 207. (Internierung eines Geisteskranken). Auch ein Eingriff in das Recht
zur Führung eines Familiennamens: HGß. 1909, n. 73. Dagegen kein Privatrecht auf Benutzung
einer öffentlichen Verkehrseinrichtung: HGZ. 1910, n. 126.
10) So RG. in der Kompetenzkonfliktssache bei Warn. Rspr. 1911, n. 307. Das hans. OL.
will in H#G# Z. 1911, n. 32 sogar einstweilige Verfügungen gegen die Anordnungen der Verwaltungs-
behörden zulassen unter Verkennung der Grundsätze der Trennung und Gleichberechtigung der
Gewalten, die auch der Auffassung der Brem. Verf. zugrunde liegen.