Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

8 53 Grenzen der Verwaltung und Justiz. 143 
verletzung, sondern sie will ihn nur bestehen lassen, sofern er überhaupt begründet 
ist 1). Dies ist aber nach 8 13 GVG. der Fall, wenn eine „bürgerliche Rechtsstreitig- 
keit“ vorliegt. Sofern also nicht nach Gewohnheitsrecht oder Gesetz im einzelnen Falle 
Besonderes gilt, ist hier auf den Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitigkeit zurückzu- 
gehen; eine solche liegt vor, wenn das streitige Verhältnis „seiner Natur nach dem 
Privatrecht angehört“ 2). 
In der Praxis ist darüber hinaus die Zulässigkeit des Rechtsweges für die Klage 
auf Rückzahlung zu Unrecht gezahlter öffentlicher Abgaben bejaht ?); doch enthalten 
die Steuergesetze meist besondere Bestimmungen, nach denen die tatsächlichen Fest- 
stellungen der Behörden im Rechtswege nicht anfechtbar sind. Ausgeschlossen ist der 
Rechtsweg insbesondere gegen Polizeibefehle, sowie allgemein gegen die Entschei- 
dungen der Polizeibehörde in Baupolizeisachen . 
Ausgeschlossen wird der Rechtsweg nach jener Bestimmung ferner durch Ein- 
legung der wahlweise gegebenen Beschwerde an den Senat, ein Grundsatz des 
lübeckischen Rechts, der auch in zahlreichen Einzelgesetzen wiederkehrt. Die vom. 
Senat in letzter Instanz getroffenen Entscheidungen sind damit grundsätzlich der Nach- 
prüfung der Gerichte entzogen 5). 
Eine weitere Beschränkung enthalten die s§# 11, 12 des Lüb. A. v. 3. Febr. 
1879; danach muß derjenige, welcher sich durch eine Maßregel der Behörde für ver- 
letzt hält, zunächst binnen 6 Monaten bei der Behörde selbst auf Abhilfe antragen; 
in welcher Weise dies geschehen ist, ist in der Klage anzugeben; andernfalls ist sie 
abzuweisen. Geht die vermeintliche Rechtsverletzung von einem Beamten aus, so 
ist zunächst binnen 3 Wochen Abhilfe bei der vorgesetzten Behörde zu beantragen; 
wird diese nicht gewährt, so kommen die vorstehenden Bestimmungen zur Anwendung). 
II. Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden in Zivil- 
und Strafsachen. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen sind an 
sich der Kognition der Verwaltungsbehörden entzogen. Ausnahmsweise ist eine 
1) So auch HGZ. 1909, n. 168. 
2) So RG. Bd. 11, S. 65 f.; Bd. 22, S. 285. Nach Stein, Grenzen, S. 32 gehört das Ver- 
hältnis dem öffentlichen Recht an, wenn es auf der Unterordnung des einen unter die Gewalt 
des Staates oder eines andern öffentlichen Verbands beruht. Aehnlich Fleiner a. a. O., S. 
48 f. Ueber die verschiedenen Auffassungen des Begriffes auch Hartmann, H##. 1910, n. 51. 
3) So schon aus früherer Zeit: die Entsch. des O1G. bei Bruhn, Sammlung in Lüb. 
Sachen, Bd. II, S. 136, 238 f. Ferner aus neuerer Zeit: H#G#3. 1905, n. 77; 1909, n. 168 (in 
Einkommensteuersachen); 1913, n. 55 (Gewerbesteuer); 1907, n. 69 (f. Klage der isrealit. Gemeinde 
auf Zahlung von Beiträgen). Die Zulässigkeit des Rechtsweges in diesen an sich nicht privatrecht- 
lichen Sachen wird auf Gewohnheitsrecht zurückzuführen sein (im allgemeinen dazu R., Bd. 11, 
S. 65); sie wird von den Steuergesetzen indirekt anerkannt, indem sie bestimmte tatsächliche Fest- 
stellungen der Nachprüfung der Gerichte entziehen, z. B. Lüb. Einkommensteuergesetz v. 1. Nov. 
1913, § 18; über den Umfang dieser Feststellungen: HG Z. 1909, n. 168. 
4) Für Polizeibefehle: Lüb. Ges. v. 16. Juni 1879, § 8, unten § 54. Für Baupolizeisachen: 
Bauorhnung v. Mai 1903, 5 84. Ueber die Zulässigkeit des Rechtswegs im Enteignungsverfah- 
ren unten 
5) Ueber die Bedeutung dieser Beschränkung auch HG3. 1894, n. 129. Soweit die Reichs- 
gesetze, z. B. das Doppelsteuergesetz, eine solche Beschränkung nicht zulassen, kann trotz erhobener 
Beschwerde Klage erhoben werden: H#Z. 1910, n. 113. 
6) Die Bestimmungen stehen, auch soweit es sich um privatrechtliche Ansprüche handelt, 
mit 8 4 EG. zur Z PO. nicht in Widerspruch, da dieser nur die Ausschließung, nicht auch eine Beschrän- 
kung des Rechtswegs gegen den Fiskus verbietet (Stein, Kommentar zur ZPO., Anm. zu 
4 EG.). Vgl. dazu auch § 31 des Hamb. Verhältnisgesetzes. Darüber, ob die Klage gegen die 
Behörde zu richten ist, oben S. 73. — Darüber, daß der §& 12 keine Beschränkung der Klage gegen 
den Beamten bedeutet: oben S. 94 Anm. 3. 
 
	        
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