Klassifikation und Einteilung der Massen. 151
Mit dem fortschreitenden Schwinden ihres Ideals verliert
die Rasse immer mehr das, was ihren Zusammenhalt, ihre
Einheit und Stärke bildete. Das Individuum kann an Persön--
lichkeit und Intelligenz wachsen, zugleich tritt aber an die
Stelle des Kollektivegoismus der Rasse eine extreme Entfaltung
des Individualegoismus, die von einer Schwächung des Charak-
ters und einer Verringerung der Tatkraft begleitet ist. Was
erst ein Volk, eine Einheit, einen Block bildete, wird zuletzt
ein Haufen zusammenhangloser Individuen, die nur noch künst-
lich durch die Traditionen und Institutionen zusammengehalten
werden. Und dann tritt der Fall ein, daß die durch ihre Inter-
essen und Ansprüche getrennten Menschen, die sich nicht
mehr zu regieren vermögen, in den unbedeutendsten Hand-
lungen regiert zu werden verlangen und daß der Staat seinen
alles absorbierenden Einfluß ausübt.
Mit dem endgültigen Verluste des früheren Ideals verliert
zuletzt die Rasse gänzlich ihre Seele, sie ist dann nur noch
eine Menge isolierter Individuen und wird wieder zu dem,
was sie an ihrem Ausgangspunkte war: zu einer Masse. Sie
hat jetzt alle flüchtigen, unbeständigen und zukunitslosen Eigen-
schaiten dieser. Die Kultur ist jetzt ohne Festigkeit und allen
Zufällen preisgegeben. Der Pöbel herrscht, und die Barbaren
dringen vor. Noch kann die Zivilisation glänzend erscheinen,
weil sie die von einer langen Vergangenheit geschaffene äußere
Fassade besitzt, in Wahrheit aber ist sie ein morscher Bau,
der keine Stütze hat und beim ersten Sturm zusammen-
brechen wird.
Von der Barbarei, einem Traume nachgehend, zur Zivili-
sation, dann, sobald dieser Traum seine Kraft eingebüßt, zu
Niedergang und Tod — das ist der Zyklus eines Volkslebens.