10 Erstes Buch.
gehört der Einfluß gewisser Reize, deren Wesen wir zu be-
stimmen haben.
Das Schwinden der bewußten Persönlichkeit und die Orien-
tierung der Gefühle und Gedanken nach einer bestimmten
Richtung, das die ersten Merkmale der sich organisierenden
Masse bildet, erfordert nicht immer die gleichzeitige Anwesen-
heit mehrerer Individuen an einem einzigen Orte. Tausende
getrennte Individuen können in gewissen Momenten unter dem
Finflusse gewisser heftiger Gemütsbewegungen, etwa eines
großen nationalen Ereignisses, die Merkmale einer psycho-
logischen Masse gewinnen. Es braucht dann nur ein Zufall
sie zu vereinigen, damit ihre Handlungen sogleich die spe-
zifiischen Merkmale der Massenhandlungen annehmen. In ge-
wissen Momenten kann ein halbes Dutzend Menschen eine
psychologische Masse konstituieren, während Hunderte zufällig
vereinigter Menschen sie nicht konstituieren können. Anderer-
seits kann ein ganzes Volk ohne sichtbare Zusammenscharung
unter dem Einfluß gewisser Faktoren zu einer Masse werden.
Hat sich eine psychologische Masse gebildet, so erwirbt
sie provisorische, aber bestimmbare allgemeine Merkmale.
Diesen gesellen sich besondere Merkmale veränderlicher Art
hinzu, je nach den Elementen, aus denen die Masse sich zu-
sammensetzt und durch welche deren geistige Struktur modi-
fizierbar ist.
Die psychologischen Massen sind also einer Klassifikation
zugänglich, und wir werden, wenn wir zu einer solchen ge-
langen, sehen, daß heterogene, d. h. aus ungleichartigen
Flementen zusammengesetzte Massen, mit den homogenen,
d. h. aus mehr oder minder ähnlichen Elementen zusammen-
gesetzte Massen (Sekten, Kasten, Klassen) Merkmale gemein
haben und außerdem noch Besonderheiten aufweisen, durch
die sie sich voneinander unterscheiden lassen.
Bevor wir uns aber mit den verschiedenen Kategorien
der Masse befassen, müssen wir zuerst die allen gemeinsamen.
Merkmale untersuchen. Wir werden gleich dem Naturforscher