88 I. Abschnitt. Das Verkehrswesen im allgemeinen.
mag, ist klar. Das gilt nur von wirklich kreditwürdigen Staaten,
d. h. von Staaten mit geregelter Verwaltung und Finanzlage und mit
zuverlässigem Beamtenstande. Dagegen sind die Anleihen von weniger
kreditwürdigen Staaten zu einer solchen ausgleichenden Wirkung nicht
geeignet, da sie in Zeiten lebhaften Spielgeschäfts gesuchter sind
als in ruhigen Zeiten, also selbst als Spielmittel dienen. Die Selbstver-
Waltungskörper sind in dieser Beziehung entsprechend wie der Staat zu
beurteilen.
Der zuerletzt erwähnte Punkt führt auf einen anderen Vorzug, der
den öffentlichen Verkebrsunternehmungen nachgesagt wird. Sie sind,
Ssagt man, ein wichtiges Mittel in dem Kampfe gegen das Börsenspiel
weil sie keine Spielpapiere schaffen. Die Aktiengesellschaften dagegen
liefern sehr brauchbaren und willkommenen Stoff für das Börsenspiel.
Zu den frühesten Einwänden gegen das Gesellschaftsbahnwesen gehört
gerade die Beförderung des Börsenspiels durch die Eisenbahnaktien-
gesellschaften. Schon Mitte der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts
wurde der Punkt hervorgehoben, und seitdem ist dieser Einwand nie
verstummt. In der Tat sind arge Ausschreitungen vorgekommen und
kommen noch immer in den Ländern vor, in denen die Aktienbahnen
herrschen. Die Erfahrungen lassen es auch zweifelhaft erscheinen, ob
durch die Umgestaltung der Aktiengesetzgebung oder durch eine Staats-
aufsicht derartigen Ausschreitungen ein dauernd wirksamer Damm ent-
gegengesetzt werden kann.
Das Börsenspiel ist freilich auch bei anderen Aktiengesellschaften
in schärfster Form zutage getreten. Allein es wird behauptet, dab
gerade die Eisenbahnaktien sich dazu besonders und viel mehr als andere
Aktien eignen, weil die politischen und wirtschaftlichen Wechselfälle
auf die Eisenbahnaktien einen viel stärkeren Einfluß haben, also die
Ertragsverhältnisse mehr beeinflussen müssen, als bei anderen Aktien-
unternehmungen.
Dieser Auffassung kann man nicht völlig beitreten. Zwar sind in
und bald nach der Bauzeit die Anhaltspunkte für die Ertragsberechnung
nur gering und sehr unsicher, so daß zufälligen Einflüssen viel Spiel-
raum gegönnt ist. Aber später ändert sich das. Die Verkehrsbe-
dürfnisse, deren Befriedigung die Gesellschaft dient, sind in der Regel
allgemein und, wenn sie auch schwanken, zu steter Ausdehnung
geneigt und sinken jedenfalls in der Regel unter einen gewissen
Mindestumfang nicht herunter. Der Anlaß zum Auf- und Nieder-
schwanken des Ertrags und dementsprechend auch der Aktienkurse bei
den Eisenbahngesellschaften — andere Verkehrsgesellschaften sind im
allgemeinen in entsprechender Weise zu beurteilen — ist deshalb eher
geringer und gewiß nicht größer als bei Gesellschaften, die ein nicht
in gleicher Weise für den Aktienbetrieb geeignetes Gebiet beackern und