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Dienstrecht lebten. Doch erhalten blieb mit Ausnahme der geist-
lichen Gerichte, die dem kanonischen Amtsrechte unterlagen, die
alte Stellung der Obrigkeit zum Gerichte. Auch in allen Standes-
gerichten hat der Richter nur das Gericht zu halten, die Urteils-
fällung ist Sache der aus den Standesgenossen hervorgegangenen
Schöffen.
Das ändert sich erst mit der Rezeption der fremden Rechte.
Indem die aus den niederen Klerikern hervorgegangenen Fürsprecher
fremde Worte und Begriffe vortrugen, waren die Schöffen ganz
hilflos, während der vorsitzende Richter schon etwas von dem
fremden Rechte verstand. So wird allmählich der Richter an der
Urteilsfällung beteiligt, wie dies in den Richter= und Schöffeneiden
der Karolina Art. 3 und 4 zutage tritt. Nun ergab sich die weitere
Entwicklung von selbst. In den größeren Gerichten werden auch
die Schöffenämter allmählich mit romanistisch gebildeten Juristen be-
setzt, aus den Schöffen werden rechtsgelehrte Assessores oder Räte.
In den kleinen Untergerichten werden, soweit die Schöffenverfassung
nicht schon durch die Patrimonialisierung gesprengt war, die
Schöffen zur bloßen Dekoration und bleiben schließlich weg. So
entsteht das Einzelrichtertum.
Diese Umgestaltung der Gerichte übt aber eine Rückwirkung
auf ihre verfassungsrechtliche Stellung zur Obrigkeit. Überall sind
es mit Durchführung der Beamtengerichte unmittelbar oder mittel-
bar landesherrliche Organe, die Recht zu sprechen haben. Und
nun macht sich die Forderung der Rechtslogik geltend. Was der
Landesherr durch seine Organe tut, das kann er auch selbst tun.
Der Landesherr wird damit zur Quelle der Rechtsprechung, die
ursprünglich nicht der obrigkeitlichen Gewalt, sondern der Sphäre
der Volksfreiheit angehört hatte. Er kann aber auch dieses Recht
selbst betätigen in den mannigfachsten Formen der Kabinettsjustiz.
Er behält sich die Bestätigung schwerer Strafurteile vor, woraus
sich geschichtlich das Begnadigungsrecht entwickelt hat, kann Straf-
urteile mildern, aber auch schärfen, er kann auf Suppliken oder
aus eigenem Antriebe selbst entscheiden oder die Sache an „sonder-
lich verordnete Räte“ verweisen. In Brandenburg-Preußen haben
sich die obersten Gerichte geradezu aus dieser persönlichen Gerichts-