Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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Das Reich nimmt danach das Recht für sich in Anspruch, 
im militärischen oder wirtschaftlichen Interesse Eisenbahnen auch 
gegen den Willen des betreffenden Bundesstaates zu bauen oder 
zu konzessionieren, hat jedoch von diesem Rechte noch keinen Ge— 
brauch gemacht. Jede Eisenbahnverwaltung sollte sich die An— 
schlüsse neuer Eisenbahnen gefallen lassen müssen. Widerspruchs- 
rechte gegen Parallel= und Konkurrenzbahnen wurden für die Zu- 
kunft beseitigt (RV. Art. 41). Die deutschen Eisenbahnen sollten 
überhaupt wie ein einheitliches Netz verwaltet werden (RV. Art. 42,44). 
Demgemäß sind einheitliche Betriebseinrichtungen und Bahnpolizei- 
reglements vorgesehen (RV. Art. 43). Daraufhin hat sich der 
Bundesrat zum Erlasse von Betriebsordnungen und Bahnpolizei- 
ordnungen für ermächtigt erachtet. Das Reich beansprucht ferner 
eine Kontrolle des Tarifwesens (RV. Art. 45, 46). Endlich 
haben sämtliche Eisenbahnen den militärischen Anforderungen Rech- 
nung zu tragen (RV. Art. 47). 
Bayern ist von dieser Zuständigkeit des Reiches kraft Re- 
servatrechts befreit, soweit nicht das militärische Gebiet in Frage 
kommt (RV. Art. 46. Abs. 2). 
Zur Ausübung der dem Reiche zustehenden Rechte wurde 
1873 das Reichseisenbahnamt begründet, das über gewisse Rechts- 
fragen als verstärktes Reichseisenbahnamt unter Zuziehung richter- 
licher Mitglieder entscheiden sollte. Die Regel, daß die kaiserliche 
Verwaltung niemals der einzelstaatlichen übergeordnet ist, wurde 
hiermit durchbrochen. 
Die Bestimmungen der Reichsverfassung sind aber zum 
großen Teile, namentlich was die Verwaltung der deutschen Eisen- 
bahnen als eines einheitlichen Netzes anbetrifft, auf dem Papiere 
stehen geblieben. Demnach hat auch das Reichseisenbahnamt keine 
besondere Bedeutung erlangt. Das hängt damit zusammen, daß 
sehr bald Preußen zum reinen Staatsbahnsysteme überging, die 
Mittelstaaten, soweit es nicht schon früher geschehen war, dasselbe 
taten. Gegenüber den großen geschlossenen Staatsbahnnetzen ent- 
behrte das Reich der hinreichenden Einwirkung. Die wirkliche 
Ausgestaltung der deutschen Eisenbahnen zu einem einheitlichen 
Netze ist daher nicht von Geltendmachung der Befugnisse des 
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