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Auf dem Gebiete des Kriegsheeres und der Kriegsmarine
gestaltet sich das Verhältnis sehr verschieden, weil man beim Land-
heere mit den berechtigten Empfindungen der deutschen Einzel-
staaten und ihrer Dynastien rechnen mußte, eine Kriegsmarine
aber nur Preußen besaß, das sie ohne weiteres auf das Reich
übergehen ließ. Deshalb beim Landheere Fortbestehen der Kontin-
gentsherrlichkeit und ein höchst verkünsteltes Zusammenwirken der
beiden Gewalten, verschieden für die einzelnen Staaten, die Kriegs-
marine so einheitlich wie die eines Einheitsstaates.
Auf dem Gebiete der Justiz nimmt das Reich für sich in
Anspruch als Gegenstand der Gesetzgebung das Privat-, Straf-
und Prozeßrecht und hat von dieser Befugnis in entsprechenden
Kodifikationen Gebrauch gemacht, so daß für den Einzelstaat
innerhalb des umspannenden Reichsrechts nur Enklaven des
Landesprivatrechts und des Landesstrafrechts übrig bleiben.
Doch die Rechtsanwendung durch die Rechtsprechung ist den
Einzelstaaten und ihren Gerichten verblieben. Nur die oberste
Rechtsprechung mußte im Interesse der Wahrung der Rechtseinheit
das Reich für sich in Anspruch nehmen, so schon 1869 auf dem
Gebiete des Handels= und Wechselrechts für das Bundes= lzw.
Reichsoberhandelsgericht, seit 1879 allgemein für das Reichs-
gericht.
Auf dem Gebiete der inneren Verwaltung nimmt mannigfach,
wie besonders ein Blick auf Art 4 RV. zeigt, das Reich das
Recht der Gesetzgebung für sich in Anspruch und hat von dieser
Zuständigkeit zum größten Teile auch schon Gebrauch gemacht.
Nur soweit das nicht geschehen, bleibt das Landesrecht vorläufig
unberührt. Doch die Durchführung der Reichsgesetze ist im all-
gemeinen der einzelstaatlichen Verwaltung überlassen. Nur wo-
es sich um Rechtsanwendung im Wege der Rechtsprechung handelt,
muß das Reich im Interesse der Rechtseinheit die oberste Recht-
sprechung haben, so im Bundesamte für das Heimatwesen und
im Reichsversicherungsamte. Weitgehende Aufsichtsbefugnisse be-
ansprucht das Reich im Eisenbahnwesen, wofür es im Reichseisen-
bahnamte eine eigene Behörde hat. Nur Post und Telegraphie
werden als einheitliche Verkehrsanstalten des Reiches mit Aus-