104 Das Verwaltungsrecht. § 98
Eine weitverbreitete Ansicht nimmt an, daß das Wesentliche
des Kommunalverbandes in der Erfüllung eigener Aufgaben be-
stehe. Jede Persönlichkeit habe einen eigenen Lebenszweck, aus
der Persönlichkeit des Kommunalverbandes folge also, daß er be-
sondere, von denen aller anderen Personen verschiedene Aufgaben
haben müsse. So kommt man zu dem Ergebnisse: „Der Ge-
meinde einerseits eine eigene Persönlichkeit und damit einen eigenen
Lebenszweck auch auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts zu-
schreiben, und andererseits annehmen, daß dieselbe Hoheitsrechte
nur im Namen des Staates ausübe, ist ein vollendeter Wider-
spruch“'). Es ist jedoch zu leugnen, daß der eigene Lebenszweck
das juristische Merkmal der Persönlichkeit ist. Der Zweck ist
maßgebend für den Gesetzgeber bei Gestaltung eines Rechtsinstituts.
Ist es aber einmal vorhanden, so kommt für die Rechtsanwendung
das Zweckmoment nicht weiter in Betracht. Der eigene Lebens-
zweck als Kennzeichen der Persönlichkeit kann daher vielleicht für
die Philosophie oder die Politik in Betracht kommen, juristisch
ist es der Persönlichkeit nur charakteristisch, daß sie Trägerin
eigener Rechte und Pflichten sein kann. Aber selbst wenn man
sich statt auf den juristischen auf den philosophischen Standpunkt
stellen wollte, so ist nicht abzusehen, weshalb es nicht eigener
Lebenszweck einer Persönlichkeit sein könnte, die Aufgaben einer
anderen Person teilweise zu erfüllen. Ist doch ein solches Ver-
hältnis selbst bei natürlichen Personen nichts ungewöhnliches. Aus
dem Wesen der Persönlichkeit läßt sich also nichts für das des
Kommunalverbandes folgerns).
bei den obigen Ausführungen entbehrlich. Es erübrigt sich daher auch hier
ein weiteres Eingehen auf die Rosinsche Charakterisierung der öffentlichen
Genossenschaft.
7) Rosin in Hirths Ann. 1883, S. 291.
8) Den besten Beweis für die Unhaltbarkeit ihrer Ansicht liefern H.
Schulze und Nosin selbst, indem sie die Ortspolizei für einen
wesentlichen Bestandteil der kommunalen Verwaltung erklären, unbe-
kümmert um die Bestimmungen des positiven preußischen Rechts. Man
sollte doch meinen, eine Anstalt sei nur zu charakterisieren auf Grund der
Bestimmungen des positiven Rechts. Dagegen behaupten, ein positiver
Rechtssatz widerspreche der Natur eines Rechtsinstituts, ist ein Widerspruch
in sich selbst. Liegt ein solcher Zwiespalt wirklich vor, so hat man es nicht
mehr mit einem Rechtsinstitute, sondern mit einem Gebilde der Philo-
sophie zu tun.