Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

128 Das Verwaltungsrecht. 8 102 
der rheinischen Gemeindeverfassungsgesetze vom 30. Juni 18842) 
und der hessen-nassauischen Städteordnung 8 3 ist als Wohnsitz im 
gesetzlichen Sinne derjenige Ort anzusehen, in welchem jemand 
eine Wohnung unter Umständen inne hat, welche auf die Absicht 
ihrer dauernden Beibehaltung schließen lassen. In den anderen 
Landesteilen ist mit dem Worte Wohnsitz der gleiche Begriff schon 
nach allgemeinen rechtlichen Grundsätzen zu verbindens). Alle Ein- 
wohner sind zur Mitbenutzung der öffentlichen Gemeindeanstalten 
der Stadt berechtigt, jedoch unbeschadet der auf besonderen Stif- 
tungen oder privatrechtlichen Titeln beruhenden Bestimmungen, 
sowie verpflichtet zur Teilnahme an den Gemeindelasten nach Maß- 
gabe der gesetzlichen Vorschriften (§ 4 O., W., Rh., 8§ 13 H., 
85 Sch.-H., § 8 Frkft., § 4 H.-N.). 
Eine besondere Klasse der städtischen Einwohner bilden die 
Bürger. Das Bürgerrecht besteht in dem Rechte zur Teilnahme an 
den Wahlen, sowie in der Befähigung zur Uebernahme unbesoldeter 
Aemter in der Gemeindeverwaltung oder Gemeindevertretung, also 
in den sogenannten politischen Gemeinderechten. Eine Ausnahme 
macht jedoch in dieser Beziehung Hannover. Hier stehen die poli- 
tischen Gemeinderechte nur denjenigen Bürgern zu, welche un- 
bescholten sind, im Stadtbezirke ihren Wohnsitz haben und daselbst 
entweder als Grundeigentümer Gebäudesteuer zahlten oder zu einem 
Einkommensteuersatze von 6 M. mindestens jährlich veranlagt ist. 
Das Ortsstatut kann jedoch abweichende Bestimmungen festsetzen. 
Auch unsittlichen und der öffentlichen Achtung verlustigen Per- 
sonen kann das Stimmrecht entzogen werden (88 82—84 H., § 77 
EStG.). Das Bürgerrecht selbst ist demnach in Hannover ein 
Recht ohne jeden Inhalt. Dieser Widersinn erklärt sich daraus, 
daß nach der Steinschen Städteordnung von 1808 das Bürgerrecht 
nicht die politischen Gemeinderechte, sondern die Befugnis zum 
Gewerbebetriebe und zum Grunderwerbe innerhalb der Stadt zum 
Gegenstande hatte. Als die revidierte preußische Städteordnung 
von 1831 und in Uebereinstimmung damit die revidierte Städte- 
ordnung für Hannover Gewerbebetrieb und Grunderwerb nicht 
mehr vom Besitze des Bürgerrechts abhängig machten, letzteres 
2) GS. 1884, S. 307. 
3) Vgl. Reskr. des Min. des Inn. vom 10. Oktober 1855 — MBl. 
der inn. Verw. 1855, S. 178 —. 
 
	        
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