Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

442 Das Verwaltungorecht. § 138 
Sie ist aber, was Deutschland anbetrifft, im wesentlichen ebenso 
das Ergebnis einer vergangenen Rechtsbildung wie die privat- 
rechtliche Anschauung. Die Vertreter dieser Auffassung in Deutsch 
land sind jetzt vollständig in den Hintergrund getreten. Sie ge: 
hören vorzugsweise denjenigen Gebieten und der Zeit an, wo 
die französisch-konstitutionelle Doktrin überhaupt zu voller Herr 
schaft gelangt war, dem südwestlichen Deutschland in den ersten 
Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts?). In Deutschland erschien diese 
französische Verwaltungsgerichtsbarkeit im wesentlichen als Ver- 
kümmerung des Rechtsschutzes. So erklärt sich der Satz in der 
Reichsverfassung von 1849 § 182: „Die Verwaltungsrechtspflege 
hört auf; über alle Rechtsverletzungen entscheiden die Gerichte.“ 
Die dritte Richtung endlich sucht, zum Teil im Hinblicke auf 
die Gestaltung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in England, das 
Wesen der Verwaltungsrechtsprechung weder aus dem Privatrechte 
noch aus dem Verfassungsrechte, sondern aus der eigentümlichen 
Natur des Verwaltungsrechts zu erklären. Dieser Versuch ist 
von zwei verschiedenen Gesichtspunkten aus unternommen worden 
durch L. v. Stein und R. v. Gneist. 
L. v. Stein geht dabei aus von seiner Auffassung des 
Gesetzes und der Verordnung. Gesetz ist nach Stein der Staats- 
wille, Verordnung, soweit sie nicht das mangelnde Gesetz ersetzt, 
die Vollziehung des im Gesetze enthaltenen Staatswillens. Die 
Verwaltungsklage soll nur demjenigen zustehen, welcher einen 
Widerspruch zwischen dem Gesetze oder der an dessen Stelle ge- 
tretenen Verordnung und der Vollzugsverordnung behauptet, da- 
gegen nur eine Beschwerde dem, welcher durch eine Verordnung 
5) Als Vertreter dieser Richtung sind vorzugsweise zu nennen C. v. 
Pfizer, Ueber die Grenzen zwischen Verwaltungs= und Ziviljustiz, 
Stuttgart 1828; C. v. Pfizer, Prüsung der neuesten Einwendungen gegen 
die Verwaltungsjustiz, Stuttgart 1833; Köstlin, Die Verwaltungsjustiz nach 
französischen Grundsätzen, Stuttgart 1823; v. Weiler, Ueber die Grenzen 
zwischen Verwaltung und Jusliz, Mannheim 1830; Funke, Die Verwaltung 
in ihrem Verhältnisse zur Justiz, Zwickau 1838; Pöhlmann, Ueber 
das Wesen der sogenannten administrativ-kontentiösen Sachen mit be- 
sonderer Nücksicht auf Bayern, München 1853; v. Geßler, Ueber 
die Administrativjustiz in der Tübinger Zeitschrift für die gesamte Staats“ 
wissenschaft Band 18, S. 719. Eine ausführliche Dogmengeschichte der 
französich-konstitutionellen Richtung s. bei v. Sarwey, a. a. O. S. 122 fl.
	        
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