Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

§ 93 Das Disziplinarverfahren. 59 
Im übrigen fällt aber die Behandlung dieser Verantwortlichkeit, 
da es sich nicht mehr um den Beamten als solchen, sondern als 
Privatmann handelt, außerhalb des Rahmens des Beamtenrechts. 
Selbst bei den sogenannten Amtsverbrechen bilden staatsrechtliche 
Gesichtspunkte höchstens einen Bestimmungsgrund für den Erlaß 
der Strafrechtsnorm. Letztere hat aber inhaltlich einen rein straf- 
rechtlichen Charakter als Sühne für einen Bruch der Rechts- 
ordnung und steht mit dem Beamtenrechte ebensowenig in einem 
inneren juristischen Zusammenhange, als etwa die Strafrechts- 
normen über Münzverbrechen mit den verwaltungsrechtlichen Be- 
stimmungen über das staatliche Münzwesen oder die Strafrechts- 
normen über Betrug und Bankerott mit dem Handelsrechte. 
In das Gebiet des Staatsrechts gehört dagegen das un- 
mittelbare Zwangsmittel zur Erfüllung der dienstlichen Pflichten, 
das Dissziplinarrecht. 
Dem Patrimonialstaate wie dem Polizeistaate war ein be- 
sonderes Disziplinarrecht in gleicher Weise fremd, wenn auch aus 
verschiedenen Gründen. Solange die privatrechtliche Behandlungs- 
weise des Beamtenrechts vorherrscht, schloß sich die Geltendmachung 
der Beamtenpflichten naturgemäß an das privatrechtliche Klagen- 
system an. Ist der Staatsdienst obligatorisches Rechtsverhältnis, 
so kann die Nichterfüllung der übernommenen Verpflichtung 
seitens der einen oder der anderen Partei nur im Wege des ordent- 
lichen Zivilprozesses erzwungen werden. Ebensowenig waren be- 
sondere Zwangsmittel, um die Beamten zur Erfüllung ihrer 
Pflichten anzuhalten, erforderlich, nachdem die staatsrechtliche Auf- 
fassung des Beamtenrechts unter dem Großen Kurfürsten in der 
Praxis zum Durchbruche gelangt war, da die unbedingt und ohne 
Angabe von Gründen zulässige Entlassung dem Staate die nötigen 
Sicherungsmittel gewährte. 
Erst als das ALR. die ersten Grundlagen des Rechtsstaates 
legte und die Beamten gegen willkürliche Entlassungen zu sichern 
suchte, mußte man auf der anderen Seite auch dem Staate, da 
das Entlassungsrecht nicht mehr unbedingt durchgriff, die Mittel 
geben, auch ohne dies die Beamten zur Erfüllung ihrer dienst- 
lichen Verpflichtungen zu nötigen. Hinsichtlich der richterlichen 
Beamten beschränkte sich das ALR. II, 17 § 99 auf die Be- 
stimmung, daß sie nur bei den vorgesetzten Gerichten oder Landes-
	        
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