116 Das Verwaltungsrecht. 162
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sollen, der Willkür der betroffenen Personen entzogen ist, und dic
Behörden von Amts wegen zu erforschen haben, ob und in welchem
Umfange die Strafrechtsnormen auf den einzelnen Fall Anwendung
sinden. Dies trifft auch zu für die sogenannten Antragsstraftaten.
Mag man in dem Antrage ein Tatbestandsmerkmal oder nur eine
Voraussetzung der Strafverfolgung sehen, jedenfalls ist der Antrags-
berechtigte keine von der Strafrechtsnorm betroffene Verson und
nach Stellung des Strafantrags bietet das Verfahren keine Be-
sonderheiten mehr dar. Mit derselben inneren Notwendigkeit wie
für den Zivilprozeß die Verhandlungsmaxime ergibt sich daher für
den Strafprozeß deren Gegenteil, die Inquisitionsmaxime als
Grundlage des Verfahrens. Ob der Prozeß selbst ein Inquisitions-
prozeß oder ein Anklageprozeß ist, erscheint verwaltungsrechtlich
als eine Frage der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Behörden,
im ersteren Falle ist die Anwendung der Strafrechtsnormen den
Gerichten allein, im zweiten Falle den Gerichten in Verbindung
mit einer besonderen Anklagebehörde, der Staatsanwaltschaft, über-
tragen. Das Wesen der Sache bleibt davon unberührt, ob der
Strafprozeß Ingquisitionsprozeß oder Anklageprozeß ist, jedenfalls
muß er seiner inneren Natur nach stets auf der Inquisitionsmaxime
beruhen.
Das Prozeßverfahren selbst ist jetzt in Zivil= und Strafsachen
reichsrechtlich geregelt durch die Zivilprozeßordnung und die Straf-
prozeßordnung. Für die Landesgesetzgebung bleibt demnach auf,
dem Gebiete des Prozeßrechts nur noch insofern Raum, als das
Reichsrecht selbst eine solche noch zuläßt, insbesondere soweit es
auf Ausführungsgesetze der Einzelstaaten verweist.
Die Formen, welche die Behörden bei ihrer Tätigkeit zu be-
obachten haben, sind an und für sich zweisellos ein Gegenstand
des Verwaltungsrechts, und zwar auch dann, wenn die Behörden
materielle Normen anwenden, welche dem Staatsrechte nicht an-
gehören. Zivilprozeß und Strafprozeß haben sich jedoch schon von
jeher wegen der hohen juristischen Ausbildung, welche gerade diese
Art des Verfahrens der Behörden ausgezeichnet, zu besonderen
selbständigen Wissenschaften entwickelt und werden deshalb im
Staatsrechte nicht behandelt. Nur mit Rücdsicht darauf, daß in
den Verfassungsurkunden bisweilen einige oberste Grundsätze des
Prozeßrechts, wie Oessentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahreus,